Augsburg/CH/FL?– Ist die Covid-19-Pandemie eine gottgesandte Strafe? Welche Antworten findet Papst Franziskus in der Krise? Inwieweit k?nnen Gottesdienste im Fernsehen oder in den sozialen Medien die tats?chliche Zusammenkunft der Gl?ubigen ersetzen? Das kommende Brixner Theologische Jahrbuch m?chte Antworten auf Fragen wie diese geben. Mitherausgeber ist Prof. Dr. Dr. J?rg Ernesti, Kirchenhistoriker der Universit?t Augsburg.

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Am Karfreitag um 15:30 Uhr kam es im italienischen Fernsehen zu einer ungew?hnlichen Premiere: W?hrend der Live-Ausstrahlung des katholischen Magazins ?A Sua immagine“ meldete sich ein prominenter Anrufer zu Wort – Papst Franziskus. ?Guten Abend, Lorena, wie geht es Ihnen“, begrü?te er die offenkundig überraschte Moderatorin. ?Haben Sie meine Stimme erkannt?“ Wie er diese schwierige Zeit erlebe, fragte sie ihn. ?Ich denke an den Herrn am Kreuz […], aber auch […] an die Gekreuzigten dieser Pandemie: ?rzte und ?rztinnen, Krankenschwestern, Pfleger und Pflegerinnen, Ordensschwestern und Priester“, antwortete er.

Für Ernesti steht dieser Auftritt sinnbildlich für die Gabe des Pontifex, die verunsicherte italienische Nation, die durch die Seuche besonders hart getroffen war, wieder aufzurichten. Auch wenn er dabei mitunter v?llig neue Wege beschreite, knüpfe er auf der anderen Seite bewusst an alte Traditionen an – zum Beispiel, als er Mitte M?rz auf dem H?hepunkt der Pandemie das Marienbild ?Salus Populi Romani“ aufsuchte: das Gem?lde, dass Papst Gregor der Gro?e vor mehr als 1.400 Jahren in den Petersdom hat bringen lassen, um die Gottesmutter um Beistand gegen die damals wütende Pest zu bitten. ?Franziskus probt den Spagat zwischen Zeitgeist und Tradition“, urteilt der Kirchenhistoriker. ?Und das gelang ihm w?hrend der Pandemie ausgesprochen gut.“

Liturgisches Leben in der Pandemie

Ernesti untersucht in seinem Beitrag für das Brixner Theologische Jahrbuch, wie Papst Franziskus w?hrend der Corona-Krise die Rolle als ?Sprecher aller Menschen guten Willen und moralisches Gewissen der Menschheit“ ausfüllt. Er ist Mitherausgeber des Sammelbandes, der jedes Jahr ein aktuelles Thema aus Kirche und Gesellschaft aufgreift, dem sich die Autoren aus unterschiedlichen Perspektiven widmen. Die aktuell in Arbeit befindliche Ausgabe hat ihren Fokus auf der Pandemie – angefangen von kirchenrechtlichen Aspekten wie dem Gottesdienst-Verbot bis hin zu der liturgiewissenschaftlichen Frage, inwieweit digitale Medien die tats?chliche Zusammenkunft der Gl?ubigen zumindest tempor?r ersetzen k?nnen.

Das Jahrbuch thematisiert auch ein Problem, das momentan weltweit viele Gl?ubige besch?ftigt: Inwieweit l?sst sich eine Seuche, die rund um den Globus Hunderttausende dahinrafft, mit der Vorstellung eines liebenden und gütigen Gottes vereinbaren? Papst Franziskus hat sich in den letzten Monaten immer wieder explizit gegen die Deutung ausgesprochen, das Corona-Virus sei eine Strafe Gottes für die zunehmende Dekadenz der Menschen und ihre Abwendung vom Glauben. ?Unter kirchlichen Fundamentalisten ist diese Interpretation weit verbreitet, etwa bei den evangelikalen Christen“, betont Ernesti. ?Ein willkürlich strafender Gott ist aber mit der christlichen Gottesauffassung unvereinbar; das ist in den christlichen Gro?kirchen Konsens.“

Die Frage, warum Gott das ?bel dieser Welt zulassen kann, treibt die Menschen schon seit der Antike um. Die Antwort, dass er die Menschen für ihre Verfehlungen strafe, k?nne aber nicht als gültige Erkl?rung herhalten, betont auch der Brixner Dogmatik-Professor Dr. Christoph Amor in seinem Jahrbuch-Beitrag. Sein Fazit zu dieser Frage k?nnte klarer kaum ausfallen: ?Der Glaube an einen Gott, der selbst B?ses und ?bel verursacht, indem er seine (All-)Macht missbraucht, ist weder intellektuell noch ethisch verantwortbar.“

Das Brixner Theologische Jahrbuch 2020 erscheint voraussichtlicht im Dezember.