"Bücher. Namen. Orte. 1933"
Universit?tsbibliothek zeigt vier Ausstellungen unter einem Dach
Im Mai 1933 brannten in ganz Deutschland Bücher, es waren Romane und Gedichte, Dramen und Essays - geschrieben von Autorinnen und Autoren, die die nationalsozialistische Ideologie zum Feind erkl?rt hatte. Eine Ausstellung in der Universit?tsbibliothek Augsburg rückt anl?sslich des 90. Jahrestages die NS-Bücherverbrennungen und ihre Folgen ins Licht. ? Wie blicken wir heute, 90 Jahre nach den nationalsozialistischen Bücherverbrennungen auf die Ereignisse? Wie erinnern wir? Welche einst verfemten Werke werden heute in Schule und Studium gelesen – welche nicht? Diesen Fragen n?hert sich die Ausstellung ?Bücher. Namen. Orte. 1933“ in der Universit?tsbibliothek Augsburg. Ein Kooperationsnetz von Hamburg bis Augsburg und Beitr?ge von zahlreichen Studierenden haben eine vierteilige Schau aus physischen und digitalen Pr?sentationen erm?glicht. Alle vier Teile unterstreichen mit ihren je eigenen Zug?ngen, wie wichtig das Fragenstellen und Erinnern, das Forschen, Spurensuchen und Sichtbarmachen auch Jahrzehnte nach der NS-Diktatur ist für eine Gesellschaft, die offen und demokratisch sein will, sich angesichts politischer Entwicklungen und globaler Krisen hierin fortw?hrend bew?hren muss. Nur wenige Wochen nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten hetzten im Frühjahr 1933 deutsche Studenten gegen jüdische, linke und andersdenkende Autorinnen und Autoren. In ganz Deutschland sollten ,undeutsche‘ Schriften aus Buchhandlungen, Leihbüchereien und Bibliotheken entfernt und am 10. Mai 1933 ?ffentlich verbrannt werden. In 22 Universit?tsst?dten ist dies auch geschehen. Bis zum Jahresende 1933 fanden über 160 nationalsozialistisch begründete Bücherverbrennungen statt. Constance Dittrich, Leiterin der UB Augsburg, erkl?rt: ?Obwohl die UB Augsburg zu dieser Zeit noch nicht existierte, beherbergt sie seit 2009 doch eine wichtige Sammlung zu diesen Gewaltakten gegen Schriften und Ideen: die Bibliothek der verbrannten Bücher von Georg Salzmann.“ Die Sammlung führt die Fülle verbrannter und verbannter Literatur in Originalausgaben an einem Ort zusammen. Auf dem Campus steht sie in einem eigenen Bibliotheksleseraum allen Interessierten offen – online kann sie zudem in einer Dauerausstellung jederzeit besichtigt werden. Ihren Kern bilden Werke jener Autorinnen und Autoren, die seit 1933 auf den Schwarzen Listen der Nationalsozialisten standen, darunter zum Beispiel Lion Feuchtwanger, Irmgard Keun, Hermann Kesten, Anna Seghers und Stefan Zweig. Ein kleiner Ausschnitt aus dieser vielf?ltigen, rund 9.700 Titel umfassenden Büchersammlung wird vor Ort in fünf Vitrinen ausgestellt: Exilliteratur und Antikriegsromane, bekannte Kinder- und Jugendlbücher sowie einzelne, besonders seltene Erstausgaben. Die gro?e Kooperationsausstellung plant Fachreferentin Dr. Andrea Vo? seit dem Frühjahr 2022: ?Unsere virtuelle Dauerausstellung zur Salzmann-Sammlung hatte gerade er?ffnet und binnen kurzer Zeit sehr hohe Besucherzahlen. Diese neue Sichtbarkeit im Netz spürten wir deutlich, viele neue Kontakte sind auf diesem Weg zustande gekommen“. Ein wichtiger Partner ist der Fotograf und Erlebnisp?dagoge Jan Schenck, der seit 2013 als Erinnerungsprojekt den Online-Atlas ?Verbrannte Orte“ betreibt. Eine Seminarkooperation mit der Literaturwissenschaftlerin Dr. Annina Klappert (Universit?t Augsburg) legte den Fokus auf die Autorinnen in der Sammlung Salzmann. ?Da schreibende Frauen in der Literaturgeschichte oftmals ausgeblendet werden, wollten wir mit Augsburger Studierenden bewusst die heute wenig bekannten verfemten Autorinnen behandeln und in einer eigenen Online-Ausstellung sichtbar machen“, so Vo?. ?Im Sommer kamen schlie?lich Hamburger Gestaltungsstudierende auf mich zu – auf der 拉斯维加斯赌城 nach Buchtiteln und Covergestaltungen einst verbrannter Bücher.“ So ?ffnet die Universit?tsbibliothek am 21. Juni 2023 ein mehrdimensionales Ausstellungsprogramm: Am 21. Juni findet um 16 Uhr die Vernissage mit Gru?wort der Pr?sidentin Prof. Dr. Sabine Doering-Manteuffel und Kurzvortr?gen von Jan Schenck, Dr. Andrea Vo?, PD Dr. Annina Klappert und den Literaturstudentinnen Lucia Matischok, Dorothea Kappel und Raphaela Deffner statt. Die Ausstellung kann vom 22. Juni bis 14. Juli in den gesamten ?ffnungszeiten der Bibliothek besucht werden (Montag – Freitag: 8.30 – 24 Uhr, Samstag: 9.30 – 24 Uhr, Sonntag: 12 – 18 Uhr). Der Eintritt ist frei. Für Schulklassen bietet die Bibliothek auf Anfrage auch Führungen an. Ausstellungswebsite:
/bibliothek/buecher-namen-orte-1933/ Zur neuen Online-Ausstellung ?aktuell, poetisch, selbstbestimmt“
https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/vergessene-autorinnen/ Zur virtuellen Dauerausstellung ?Die Bibliothek der verbrannten Bücher“
https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/verbrannte-buecher/
E-Mail:
corina.haerning@presse.uni-augsburgpresse.uni-augsburg.de ()
Ein besonderer Blickfang in der Ausstellungshalle sind die an Holzkuben in Szene gesetzten sogenannten Zines (Kurzform von ?Magazine“). Illustrationsstudierende der HAW Hamburg haben sie für das Festival ?Hamburg liest verbrannte Bücher“ nach eigenen Lektüren, Recherchen und Interviews erstellt. Die Kleinstmagazine entstehen durch eine bestimmte Falt- und Schneidetechnik von Papier. Wie Bücher k?nnen sie in die Hand genommen, durchbl?ttert und gelesen werden. Visualisiert sind darin Lektüren der verbrannten Werke, Begegnungen mit (fast) vergessenen Autorinnen und Autoren, Erinnerungen an historische Ereignisse.
Ein gro?formatiger Touchscreen l?dt in die virtuelle Literaturausstellung ?aktuell, poetisch, selbstbestimmt ein. Literaturstudierende der Universit?t Augsburg haben sie im Wintersemester 2022/23 in einem Projektseminar unter der Leitung von Dr. Annina Klappert und Dr. Andrea Vo? erarbeitet. Karin Micha?lis, Gertrud Kolmar und Adrienne Thomas sind Autorinnen und drei Frauen von vielen, die ab 1933 um Leib und Leben, Arbeit und Heimat fürchten mussten. Diese Online-Ausstellung holt ihre Werke aus dem Regal.
Die Künstlerinnen Eda Aslan und Nurgül Dursun fragten 2022 in ihrem Kunstprojekt, welche Spuren frühere Leserinnen und Leser in den Büchern der Sammlung Georg Salzmann hinterlassen haben. Sie fanden unz?hlige Widmungen, Anstreichungen und Notizen, vielf?ltige Objekte und vergessene Lesezeichen – sammelten und digitalisierten diese. Ihr handgearbeitetes, vom Buchgestalter "Kiki" Park designtes Buch ?What Was Left“ dokumentiert hunderte der materiellen ?berreste und geht als Re-Archivierung selbst in die Sammlung ein. Drei Vitrinen pr?sentieren einen Ausschnitt der gefundenen Objekte, die den regen Umlauf der Bücher, das Gelesen- und Geliebtwerden der Geschichten, auf vielf?ltige Art bezeugen.
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