Projekt ergründet 500 Jahre jüdischen Lebens in Bayern
Forschungsvorhaben an der Universit?t Augsburg zur Geschichte des Illertals angelaufen
Die Iller entspringt nahe Oberstdorf an der deutsch-?sterreichischen Grenze. Von dort schl?ngelt sie sich nach Norden, bis sie bei Ulm in die Donau mündet. Gro?e Teile des Tals z?hlten seit dem Mittelalter zum Herrschaftsgebiet der Habsburger und kleinerer Adelsherrschaften. Sie sahen die Ansiedlung von Juden mit Wohlwollen, vor allem aus wirtschaftlichen Gründen: ?Viele jüdische Familien arbeiteten mit gro?em ?konomischem Erfolg in den damals wichtigen Industriezweigen wie dem Textilgewerbe“, erkl?rt Klaus Wolf, Professor für Deutsche Literatur und Sprache in Bayern an der Universit?t Augsburg. Seit Anfang des 16. Jahrhunderts gab es im Illertal daher eine blühende jüdische Alltagskultur. ?Bis heute ist sie aber nur unzureichend wissenschaftlich dokumentiert“, erkl?rt Wolf, der sich seit vielen Jahren mit der jüdischen Geschichte in Bayern besch?ftigt. Das im September gestartete Projekt soll das nun ?ndern. Mit rund 130.000 Euro f?rdert das Bayerische Wissenschaftsministerium in den kommenden zwei Jahren das Forschungsvorhaben. ?Das gibt uns die M?glichkeit, systematisch die Informationen zum jüdischen Alltag in dieser Zeit zusammenzutragen, die noch weitgehend unbeachtet in den Archiven schlummern.“ Religi?se Konflikte waren vor der Machtübernahme der Nazis im Illertal eine Seltenheit. Stattdessen lebten Menschen jüdischen und katholischen Glaubens weitgehend harmonisch miteinander. ?Im Alltag spielte die Religionszugeh?rigkeit keine gro?e Rolle“, meint Wolf. ?Beide Gruppen waren Einheimische, nur dass sie unterschiedliche Kirchen besuchten. Es kam beispielsweise vor, dass der Vorsitzende im Fu?ballverein Jude war und sein Stellvertreter Christ, oder auch umgekehrt. Oder dass ein Haus von einem jüdischen zu einem christlichen Besitzer wechselte, wie wir in den Kataster-Eintr?gen nachvollziehen k?nnen.“ Es gab daher auch keine streng nach Glauben getrennten Viertel. Anders sah es mit den Volksschulen aus. ?Aufzeichnungen in den Archiven geben einen detaillierten Einblick in das Leben an jüdischen Volksschulen - angefangen vom unterrichteten Lehrstoff bis zum typischen Pausenbrot“, sagt Wolf. ?Auch das ist ein Bereich, den wir in den kommenden zwei Jahren im Detail untersuchen und dokumentieren wollen.“ Nach 1933 wurden aus Mitbürgern zun?chst Au?enseiter und dann Verfolgte. In der Reichskristallnacht 1938 kam es auch im Illertal zu gewaltt?tigen ?bergriffen. Juden wurden enteignet, ihr Besitz ?arisiert“. Manchen gelang die Flucht ins Ausland. Andere wurden vom Bahnhof im Illertaler St?dtchen Fellheim in die Vernichtungslager in Osteuropa deportiert. Die Münchner Historikerin Dr. Veronika Heilmannseder baut dort eine Gedenkst?tte auf. Aus dieser Initiative erwuchs auch der Wunsch, die jüdische Geschichte der Region insgesamt wissenschaftlich aufzuarbeiten. So entstand die Idee zum Projekt ?Jüdisches Illertal“, das vom Bayerischen Wissenschaftsministerium gef?rdert wird. Wolf wird zusammen mit seinen Mitarbeiterinnen Dr. Ingvild Richardsen und Monika Mendat die wichtigsten Ergebnisse in einem Buch zusammentragen, das 2025 ver?ffentlicht werden soll. Auch die Gedenkst?tte Bahnhof Fellheim soll davon profitieren. ?Wir planen zum Beispiel, die wichtigsten Dokumente? - Fotos oder auch Schriftstücke - in digitaler Form zug?nglich zu machen, sodass sie in der Gedenkst?tte zum Beispiel durch Fotografieren eines QR-Codes auf dem eigenen Smartphone abgerufen werden k?nnen“, erkl?rt der Wissenschaftler. In Orten wie Altenstadt an der Iller sind viele der ursprünglich von Juden erbauten H?user bis heute erhalten geblieben. Auch die Mehrzahl der Synagogen hat die Nazizeit überstanden. Die meisten von ihnen wurden zu Kulturst?tten für Lesungen und Konzerte umgewidmet. Als Gottesh?user haben sie dagegen ausgedient: Im gesamten Illertal wohnen bis heute so gut wie keine Menschen jüdischen Glaubens mehr. ?
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