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European Union

Flughafen Lübeck-Rechtsprechung

Im Fall ?Flughafen Lübeck“ thematisiert der BGH die Frage, inwieweit vorl?ufige Entscheidungen der Kommission bei beihilferechtlichen Prüfverfahren Bindungswirkung für mitgliedstaatliche Gerichte haben.
Konkret ging es um Vereinbarungen zwischen der – bis 2005 staatlich geführten – Flughafen Lübeck GmbH und Ryan Air in den Jahren 2000–2004. Die (konkurrierende) Kl?gerin Air Berlin war der Auffassung, dass diese Vereinbarungen mit Unionsrecht unvereinbare ?staatliche Beihilfen“ darstellten und forderte Auskunft über die entsprechenden Ma?nahmen sowie deren Unterlassung.
Parallel zu einem vor dem mitgliedstaatlichen Gericht (LG Kiel) geführten Prozess, welcher erstinstanzlich mit einem Teilurteil zu Gunsten des klagenden Konkurrenten endete, er?ffnete die Kommission mit Beschluss vom 10.7.2007 (ABl. EU 2007 Nr. C 295, S. 29) ein f?rmliches Prüfverfahren nach Art. 108 AEUV. In ihrem Er?ffnungsbeschluss erkl?rte die Kommission, dass einige der Vereinbarungen ?wahrscheinlich als staatliche Beihilfen anzusehen“ seien.
Das in dem nationalen Rechtsstreit mit der Berufung befasste Instanzgericht (OLG Schleswig) ersuchte die Kommission um Stellungnahme, ob es sich bei betreffenden Ma?nahmen um Beihilfen im Sinne von Art. 108 Abs. 3 Satz 3 AEUV handle. In ihrer Stellungnahme vom 8.3.2012 vertrat die Kommission die Auffassung, dass die Vereinbarungen "prima facie" eine Beihilfe darstellten. Eine "selbst?ndige beihilferechtliche Würdigung" durch das Berufungsgericht sei daher entbehrlich.
Daraufhin ersuchte das mitgliedstaatliche Berufungsgericht mit Beschluss vom 14.1.2013 (6 U 54/06) den EuGH um Vorabentscheidung betreffend der Reichweite der Bindungswirkung der vorl?ufigen Beurteilung der Kommission. Des Weiteren fragte das Gericht, ob es bis zu einer Entscheidung der Kommission das nationale Verfahren aussetzen dürfe und müsse.
Der EuGH befand mit Beschluss vom 4.4.2014 (C-27/13), dass das Berufungsgericht aufgrund der Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit mit den Europ?ischen Organen (Art. 4 III EUV) keine Entscheidung treffen dürfe, die dem Verfahren der Kommission zuwiderlaufe. Vielmehr müsse das Gericht ?alle erforderlichen Ma?nahmen treffen, um die Konsequenzen aus einem eventuellen Versto? gegen die Pflicht zur Aussetzung der Durchführung dieser Ma?nahme zu ziehen“ (Rn. 27). Das Verfahren vor den nationalen Gerichten dürfe nicht bis zur Entscheidung der Kommission ausgesetzt werden, da andernfalls bis zur Entscheidung der Kommission keine Entscheidung über die Beihilfe ergehen würde und dadurch der (m?glicherweise rechtswidrige) Vorteil der Beihilfe aufrechterhalten bliebe (Rn. 30).
Im Revisionsverfahren gegen das im Anschluss an die Beantwortung der Vorlagefrage durch den EuGH ergangene Urteil des OLG Schleswig v. 8.4.2015 (6U 54/06) best?tigte der BGH, dass nationale Gerichte entsprechend ihrer unionsrechtlichen Verpflichtung dem Verfahren der Kommission nicht entgegenwirken dürften.

Der BGH betonte aber gleichzeitig, dass der – lediglich vorl?ufige – Beschluss der Kommission keine Bindungswirkung für die deutschen Gerichte entfalten k?nne. Zum einen stehe die Unabh?ngigkeit der Gerichte der Bindungswirkung einer Einsch?tzung einer – selbst europ?ischen – Verwaltungsbeh?rde entgegen. Zum anderen b?te das Prüfungsverfahren nach Art. 108 AEUV mangels ad?quater Anh?rungsrechte keinen ausreichenden Rechtsschutz der Parteien. Das einzige Rechtsschutzmittel einer Nichtigkeitsklage vor dem EuG sei ebenfalls nicht ausreichend. Im Hinblick auf Art. 47 GRCh und Art. 19 IV GG sei den beteiligten Parteien daher vor den nationalen Gerichten ein Anh?rungsrecht einzur?umen um ?die sie belastende, vorl?ufige beihilfenrechtliche Beurteilung der Kommission jedenfalls so lange vor den nationalen Gerichten in Zweifel zu ziehen“, wie noch keine bestandskr?ftige Entscheidung der Kommission zu der Sache vorliegt (Rn. 46). Bei begründeten Zweifeln an der vorl?ufigen Beurteilung der Kommission haben die nationalen Gerichte die Kommission um Stellungnahme zu bitten respektive müssen in letzter Konsequenz den EuGH um Vorabentscheidung anrufen.
Des Weiteren verwies der BGH auf die Reziprozit?t der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit, an die auch die Unionsorgane gebunden seien. Wenn die Kommission auf unbestimmte Zeit keine endgültige Entscheidung treffe, die nationalen Gerichte aber – entgegen der in den Vertr?gen konzipierten Zust?ndigkeitsverteilung – auf Basis des vorl?ufigen Beschlusses de facto eine endgültige Entscheidung treffen müssten, bestehe die Gefahr einer Funktionsverschiebung von der Kommission zu den nationalen Gerichten, da die vorl?ufige Kommissionsentscheidung einem vor den nationalen Gerichten durchzusetzenden Rückzahlungsgebot unterworfen würde, so dass die für Verfahren bei rechtswidrigen Beihilfen eigentlich anzuwendenden Kautelen des Art. 13 VO 2015/1589 umgangen würden.
Zudem gebiete die Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit auch der Kommission, Verwaltungsverfahren innerhalb einer angemessenen Zeit zu beenden.
In ausdrücklicher Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung kam der BGH zu dem Ergebnis, dass nationale Gerichte nach Erlass des Er?ffnungsbeschlusses der Kommission nur vorbehaltlich einer vorherigen Befassung der Kommission respektive des EuGH von der vorl?ufigen Beurteilung des Beihilfecharakters durch die Kommission abweichen dürfen, diese mithin grunds?tzlich zu respektieren sei (Rn. 35). Die vorherige Rechtsprechungslinie, dass es den nationalen Gerichten obliege, im Rahmen der Prüfung eines Versto?es gegen das Durchführungsverbot den Begriff der Beihilfe autonom auszulegen, solange die Kommission keine verfahrensabschlie?ende Entscheidung nach Art. 108 Abs. 2 AEUV getroffen habe, wurde damit explizit aufgegeben.
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Professor M?llers

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Urteile

BGH, Urt. v. 9.2.2017, I ZR 91/15, DE:BGH:2017:090217UIZR91.15.0 – Flughafen Lübeck = EuZW 2017, 312-316; WM 2017, 1430-1436; RIW 2017, 386-390; MDR 2017, 844; WRP 2017, 451-457

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BGH Urteil deutsch

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BGH Urteil englisch

EuGH, Beschl. v. 4.4.2014, C?27/13, EU:C:2014:240 – Flughafen Lübeck GmbH gegen Air Berlin plc & Co. Luftverkehrs KG

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EuGH Urteil deutsch

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EuGH Urteil franz?sich

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