Online-Bibliothek: Wirtschaftsethik: Mensch oder System
Thomas Hausmanninger
Die Sicherung von Menschenrechten in einer Welt von Sachzw?ngen - Die Sachzw?nge der Wirtschaft - ein Beispiel
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Die Gewinne steigen, die Arbeitslosigkeit auch. Glaubt man den Vertretern der Wirtschaft in der Bundesrepublik, so ist das der richtige Weg. Wirtschaft hat ihre eigenen Gesetze. Soll der allgemeine Wohlstand gesichert und vermehrt werden, dann müssen diese Gesetze beachtet werden. Entsprechend entstehen Sachzw?nge, die Zw?nge des ?konomischen Systems sind. Solche Sach- oder Systemzw?nge machen mitunter negative Nebenfolgen unausweichlich. Steigende Arbeitslosigkeit scheint zur Zeit ein derartiges unausweichliches Nebenprodukt der ?konomischen Sachzw?nge zu sein, zumindest dann, wenn die Wirtschaft insgesamt das Ziel der allgemeinen Wohlstandsvermehrung erreichen soll. In diesem Fall n?mlich sind Gewinne n?tig; um diese zu erlangen müssen die ?konomischen Gesetzlichkeiten jedoch beachtet werden. Darüber hinaus gelten negative Nebenfolgen für manche Wirtschaftstheoretiker als periphere, vorübergehende Erscheinung, die vom Systemprozess selbst ohnehin früher oder sp?ter wieder aufgehoben werden. In der an A. Smith anschlie?enden neoliberalen Schule betrachtet man das System der Wirtschaft als etwas, das sich selbst heilt und von sich aus ?public benefits" - eine Verbesserung der Lebenssituation aller - mit sich bringt. Den Prozess ?ndern zu wollen hingegen hie?e, in ihn ?hineinzupfuschen" und am Ende weniger zu erreichen, als man erreichen kann, wenn man ihn m?glichst unbeirrt verlaufen l?sst. Auf die gegenw?rtige Situation angewandt, scheint dies zu bedeuten: Befreiung der Wirtschaft von ihr fremden sozialen Restriktionen durch z.B. Senkung der Lohnstückkosten, insbesondere Abbau der Sozialabgaben und Steuern, Rationalisierung im Personalbereich und durch all dies Erh?hung der Wettbewerbsf?higkeit. Nur auf diese Weise, so das neoliberale Versprechen, l?sst sich (wieder) ein Stand erreichen, auf dem es allen immerhin so gut geht, wie es eben m?glich ist, besser jedenfalls, als wenn man den Systemgesetzen der Wirtschaft nicht Tribut zollt. Betrachtet man angesichts dieser Argumentation das soziale und pers?nliche Schicksal der Arbeitslosen, stellen sich jedoch ernste Fragen. Zwar kennt die Verfassung der Bundesrepublik kein Recht auf Arbeit, das dieses Menschenrecht als ziviles Grundrecht (bzw. Bürgerrecht) juridisch einforderbar macht. Doch ist sie eine menschenrechtlich orientierte Verfassung, in deren Rahmen die psychosozialen Folgen von Arbeitslosigkeit nicht einfach schrankenlos oder unt?tig hingenommen werden k?nnen. Vermittelt über die Freiheit der Berufswahl in Art. 12 I GG enth?lt sie zudem implizit die Verpflichtung, in erster Linie jene gesellschaftlichen Anstrengungen zu unterstützen, die diese Wahl durch tats?chliche Besch?ftigungschancen überhaupt erm?glichen. Als wertgebundene Verfassung, die die Personwürde zu ihrem Angel- und Zielpunkt macht, stellt sie zudem die ethische, n?mlich menschenrechtliche Dimension allen anderen Dimensionen gesellschaftlichen Handelns und gesellschaftlicher Befindlichkeiten voran. Von hier aus gesehen scheint die skizzierte Argumentation diese Zuordnung gerade umzudrehen: Die ethische scheint der systemischen Dimension, die Personwürde den Sachzw?ngen untergeordnet zu werden. Zumindest jedenfalls für einen gewissen Zeitraum - jenen, den die Systemlogik ben?tigt, um auf einen Stand zu kommen, der die Einl?sung der Menschenwürde innerhalb der systemischen Befindlichkeiten wieder m?glich macht. Ist das aber legitim? Und wenn nicht, wie ist dann mit den Zw?ngen unserer Handlungssysteme umzugehen, um die menschenrechtliche Grundorientierung unserer Gesellschaft davor zu bewahren, blo?er ??berbau", ein wirkung sloser ?Ideenhimmel" zu sein?
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Die ?systemische Ausdifferenzierung" moderner Gesellschaften
Auf eine allgemeine Formel gebracht, scheint das voranstehend umrissene Problem darin zu liegen, dass die gesellschaftlichen Handlungssysteme mit ihrer Funktionslogik den Menschenrechten und ihrer ethischen ?Logik" entgegenstehen. Das ist jedoch nicht notwendigerweise so. Die Entwicklung zu eigenst?ndigen, gegeneinander abgrenzbaren Handlungssystemen - die zeitgen?ssische Soziologie nennt dies die ?systemische Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften" - n?mlich hat zun?chst einmal durchaus Vorteile. Sie ist zudem Teil jenes ?Projekts der Moderne" (J. Habermas), das sich auf humanere gesellschaftliche Verh?ltnisse - Freiheit, Selbstbestimmung, allgemeine Verbesserung der individuellen Lebenschancen und des Lebensstandards - richtet. Diesem ?Projekt" sollten die Vorteile der Ausdifferenzierung dienen. Worin bestehen nun diese Vorteile? Systemische Ausdifferenzierung meint, dass die gesellschaftliche Aufgabenbew?ltigung zunehmend spezialisiert und versachlicht wird, sowie, dass sich dabei transpersonale, für den einzelnen Menschen nicht vollst?ndig verfügbare Strukturen, eben Systeme, herausbilden. Der Prozess setzt - wie W. Korff gezeigt hat - letztlich schon mit der Trennung von Religion und Politik im Investiturstreit ein und spinnt sich vor allem durch die zunehmende Eigenst?ndigkeit der Wirtschaft gegenüber religi?sen und moralischen Vorgaben im 16./17. Jahrhundert fort. Erst mit dem Umbruch zu Neuzeit und Moderne aber wird er zu einer zentralen Eigenschaft der Gesellschaft, die jetzt aus einer Fülle von relativ selbst?ndigen Teilsystemen besteht. So sorgt beispielsweise die Wirtschaft dafür, dass Güter beschafft bzw. hergestellt und verteilt werden, um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Oder die Politik übernimmt Aufgaben gemeinwohlorientierter Entscheidungsfindung mit gesamtgesellschaftlicher Bedeutung. Sie organisiert dabei legitime Herrschaft im Sinn der Repr?sentanz wie Verbindlichkeit gesamtgesellschaftlicher Willensbildung. Das System der Wissenschaft wiederum konzentriert sich darauf, menschliche Erkenntnis unter den Leitkriterien von wahr und falsch zu vermehren. Der Bereich der Kunst hingegen widmet sich der Steigerung subjektiver Expressivit?t und der Veranschaulichung des begrifflich nicht mehr Aufl?sbaren. Das Besondere ist dabei, dass sich hierdurch zugleich Zust?ndigkeiten voneinander abgrenzen. Wofür die Kunst zust?ndig ist, dafür ist die Politik, die Wissenschaft oder die Technik eben nicht mehr zust?ndig - und umgekehrt. Nicht der Politiker oder die Unternehmenschefin entscheidet, was ein Kunstwerk ist, sondern die interne Diskussion der Künstler, Künstlerinnen und Kunstrezipierenden. Umgekehrt legen nicht die Kunstschaffenden fest, ob die deutschen Autobahnen ausgebaut werden sollen, sondern die zust?ndigen Politiker (unter Konsultation von Experten). Eben deshalb ist die Ausdifferenzierung eine Spezialisierung - und darin eine Versachlichung. Hierzu geh?rt au?erdem, dass sich in den einzelnen Handlungsbereichen jeweils eine bestimmte, meist sehr feininstrumentell durchstrukturierte spezifische Eigenlogik ausbildet. Jeder Bereich erh?lt seine spezifischen Prinzipien und Gesetzlichkeiten, die für ihn typisch sind, und die sich nicht ohne weiteres auf einen anderen Bereich übertragen oder ?ndern lassen. Dies macht die Bereiche zu Systemen. Der genannte Vorteil besteht darin, dass die systemische Aufgabenteilung, wie jede Form der Arbeitsteilung, bis zu einem gewissen Grad Effizienz steigern kann. Mit dem Soziologen N. Luhmann kann man davon sprechen, dass systemische Ausdifferenzierung Komplexit?t reduziert: Es wird m?glich, sich gewisserma?en auf eine Sache, eine deutlich definierte Problemstellung zu konzentrieren, anstatt vor einer komplizierten Fülle gleichzeitig mitzubew?ltigender Zusatzfragen zu stehen. Entsprechend lassen sich auch die Mittel und Wege zu ihrer Bew?ltigung perfektionieren. Im Bereich der Wirtschaft geht es dann beispielsweise nur noch darum, m?glichst kostengünstig Ressourcen zu allokieren, Güter bzw. Dienstleistungen herzustellen und aus deren Umsatz Profit zu schlagen. Religi?se, moralische oder politische ?berlegungen k?nnen - zumindest zun?chst einmal - als sachfremd ausgeschlossen werden. Sie binden keine Energien und hindern nicht am Handeln. Insofern das schlichte ?konomische Handeln, die Befolgung der blo?en ?konomischen Systemgesetze jedoch zu einer effizienteren Vermehrung der Güter und Dienstleistungen sowie durch Wettbewerb zu adaequaten Preisen führt - oder jedenfalls idealiter führen soll -, arbeitet der versachlichte, spezialisierte ?konomische Systemprozess letztlich doch wieder moralisch wünschenswerten Zielen zu (die sich zudem religi?s absichern lie?en). In dieser Hinsicht bildet daher wirtschaftliche Effizienz - das Vorhandensein und die m?glichst umfassende Zug?nglichkeit von Gütern - auch eine der Voraussetzungen dafür, dass Menschenrechte, wie das Recht auf Leben, auf k?rperliche und seelische Unversehrtheit, auf umfassende, selbstbestimmte Entwicklung und dergleichen mehr, eine materielle Basis für ihre Verwirklichung besitzen. Die systemische Ausdifferenzierung der Gesellschaft und die menschenrechtliche Grundorientierung müssen sich so nicht unbedingt kontr?r zueinander verhalten. Im Gegenteil - die Funktionslogik der Systeme kann mit all ihren Sachzw?ngen der Einl?sung der Menschenrechte durchaus dienlich sein.
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?Die Systemlogik umbiegen"
Ein solches Zusammenwirken von Systemgesetzlichkeiten und ethischen Zielvorgaben hatte A. Smith im Blick, als er die moralphilosophische Grundlage der liberalen ?konomik schuf. Der entscheidende Punkt ist jedoch das W?rtchen ?kann" im letzten Satz des vorangehenden Absatzes. Wie die gegenw?rtige ?konomische Entwicklung in der Bundesrepublik zeigt, ergibt sich das genannte Zusammenwirken nicht unausweichlich. Auf die ?unsichtbare Hand", die aus dem profitorientierten ?egozentrischen" Handeln der einzelnen wirtschaftlichen Akteure Wohlstand für jeden Menschen erwachsen l?sst, ist nicht ohne weiteres Verlass. Schon Smith übersch?tzte daher die ethische ?Automatik" der liberalen Marktwirtschaft und ihrer Sachgesetzlichkeiten. Offensichtlich bedarf es einer ?berwachung und Steuerung bzw. Kanalisierung des ?konomischen Systemprozesses, wenn neben der wirtschaftlichen, d.h. an der Profitrate messbaren, Effizienz auch die ethische Effizienz gew?hrleistet sein soll. Insbesondere in Deutschland wurde das erkannt; so spricht beispielsweise A. Müller-Armack von einer ?Halbautomatik" der ?konomie, die der ?Bedienung" bedarf. Nach dem II. Weltkrieg ist deshalb mit dem Konzept der ?sozialen" Marktwirtschaft versucht worden, die ?konomische Funktionslogik gewisserma?en zu zwingen, einer Verbesserung der Lebenslagen aller einzelnen Gesellschaftsmitglieder gleicherma?en zuzuarbeiten. O.v. Nell-Breuning hat hierfür das Schlagwort gepr?gt, man müsse ?den Kapitalismus umbiegen". Es gilt letztlich für alle funktional strukturierten, eigenlogischen Handlungssysteme - für die Politik, die Medien, die Medizin etc. nicht weniger als für die Wirtschaft. Geleistet werden muss diese ?Umbiegung" durch eine eindeutige Vorordnung der ethischen Ziele vor die funktionalen Systemziele, der Menschenrechte vor die funktionalen Anforderungen, vor die Sachzw?nge der Systemprozesse. Freilich darf hierbei die Funktionslogik der Handlungssysteme nicht ineffizient gemacht und zerst?rt werden. Soll für die Einl?sung der Menschenrechte eine konkrete, materielle Basis bereitgestellt werden, so bedarf dies einer effizienten Funktion der Handlungssysteme. Deren Effizienz ist deshalb ethisch nicht neutral; vielmehr ist es ethisch geboten, diese Effizienz zu erhalten. Worum es geht, ist so eine Nutzung der Systemlogik für die Erreichung ethischer Ziele und eine Einl?sung der menschenrechtlichen Forderungen auf eben diese Weise. Wo eine solche Nutzung nicht ausreicht bzw. ihre Grenze daran erreicht, dass der Systemprozess seine Effizienz behalten k?nnen muss und mithin nicht schrankenlos ?umgebogen" werden kann, bedarf es eines komplement?ren Handelns au?erhalb des jeweiligen Systems. Im Beispiel gesprochen: Wenn sich die Entstehung von Arbeitslosigkeit durch eine entsprechende Kanalisierung des ?konomischen Handelns nicht vollst?ndig verhindern l?sst, müssen komplement?re Ma?nahmen au?erhalb des ?konomischen Systems ergriffen werden. Dies kann etwa im Versicherungswesen (Arbeitslosengeld), durch staatliche Unterstützungsleistungen (Sozialhilfe, oder auch Verz?gerung der Effekte ?konomischen Strukturwandels durch tempor?re Subventionierung nicht l?nger profitabler Unternehmenszweige) und ?hnliches geschehen.
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Eine menschenrechtliche Orientierung der Systemlogik durchsetzen
Für die Durchsetzung einer entsprechenden ethischen Grundorientierung der Systemprozesse l?sst sich auf drei Normebenen handeln, die einander erg?nzen. Zun?chst sind die Menschenrechte selbst und die für ihre Einl?sbarkeit n?tigen Bedingungen auf der Ebene einer allgemeinen rechtlichen Rahmenordnung zu fixieren. Hier kann beispielsweise festgelegt werden, dass und wie Arbeitslosigkeit und ihre psychosozialen Folgen durch komplement?re Strukturen abgefangen werden sollen. Auch das ?konomische Handeln selbst aber muss auf dieser Ebene einen Rahmen erhalten. Die legitimen Bedingungen, unter denen dann freier Wettbewerb stattfinden kann, sind zu definieren und legen gewisserma?en die Leitplanken für den ?konomischen Systemprozess fest. Insofern die Rahmenordnung ethische, im letzten menschenrechtlich rückgebundene ?Spielregeln" für das freie ?konomische Kr?ftespiel, für die einzelnen, gem?? den Sachgesetzen erfolgenden ?Spielzüge" schafft, sieht der Wirtschaftsethiker K. Homann darin den ?systematischen Ort der Moral" für dieses Handlungssystem. Im Unterschied zu seiner ?u?erst liberalen Position kann sich die Normierung jedoch nicht auf diese Ebene allein beschr?nken. Regeln der Rahmenordnung sind zu allgemein und zu grobschl?chtig, um ein ethisch wünschenswertes Funktionieren des Systemprozesses ausreichend gew?hrleisten zu k?nnen. Sie lassen sich jedoch auch nicht einfach feininstrumenteller gestalten, soll die Dynamik und damit die Effizienz dieses Prozesses nicht behindert werden. Pr?zisere Regeln k?nnen hingegen auf der Ebene einer institutionalisierten Selbstbindung geschaffen werden. Hier sind gewisserma?en die Bedingungen legitimen Wettbewerbs für einen Teilbereich, etwa eine Branche, zu umschreiben. Auch Selbstbindungsleistungen eines einzelnen Unternehmens aber sind hierzu zu rechnen. Für eine entsprechende Konkretion der menschenrechtlichen Grundorientierung und der Rahmenordnung sorgen dann die Akteure in einem Handlungssystem selbst, d.h. jene Personen, die die konkreten Sachgesetzlichkeiten und Bedingungen kennen und entsprechend kompetent deren Vermittlung mit den ethischen Erfordernissen leisten k?nnen. Diese ?berlegung verweist jedoch nun auch darauf, dass es hierzu eines entsprechenden Ethos, eines moralischen Engagements bedarf. Damit ist die dritte Ebene benannt: Es ist die Ebene des pers?nlichen Ethos. Ohne eine menschenrechtlich orientierte, moralische ?berzeugung der einzelnen Akteure in den Handlungssystemen, die den Rahmen der Sachgesetzlichkeiten stets auf den ethischen Sinn eines Handlungssystems hin übersteigt, kann die Vermittlung von Systemlogik und ethischer Logik nicht gelingen. Zu ethosspezifischen Leistungen geh?rt es dabei nicht zuletzt, im Rahmen des M?glichen auch einmal gegen die blanke Funktionslogik des Systems zu handeln. Gewinnsteigerungen nicht nur für die Reinvestition zu verwenden und im übrigen Rationalisierung im Personalbereich bis an die ?u?erste Grenze voranzutreiben, sondern beispielsweise damit Arbeitspl?tze m?glichst weitgehend zu erhalten, ist eine solche ethosspezifische Leistung. Nur, wenn solche Leistungen weiterhin vorausgesetzt werden k?nnen, behalten die Systeme wirklich ihre Dienstfunktion am Menschen. Es ist ein Verdienst der Homann entgegengesetzten Wirtschaftsethik von P. Koslowski, darauf immer wieder hingewiesen zu haben. Mit diesen ?berlegungen dürfte schlie?lich auch deutlich geworden sein, dass die Personwürde und die Gew?hrleistung der daran gebundenen Menschenrechte keinesfalls, auch nicht auf Zeit, zugunsten der Sachgesetzlichkeiten von Handlungssystemen suspendiert werden dürfen. Drohen Systemprozesse diese Gew?hrleistu ng in Gefahr zu bringen, so muss komplement?r gehandelt werden. Bezogen auf das gew?hlte Beispiel bedeutet dies: Wenn die wirtschaftliche Situation die Entstehung von Arbeitslosigkeit bedingt und dies nicht v?llig ausgeschaltet werden kann, so dürfen die Ma?nahmen zur sozialen Sicherung nicht einfach aufgehoben oder geschw?cht werden - auch nicht, wenn hier ein Dilemma zwischen der St?rkung der Wirtschaft und der Bereitstellung dieser Ma?nahmen entsteht. Zu suchen sind stattdessen Kompromisse und neue Wege. Um sich hierzu jedoch überhaupt aufzumachen, gilt es, den Horizont der systemischen Sachgesetzlichkeiten stets zu überschreiten. Nach L?sungen für bedr?ngende Systemprobleme gesucht werden muss im Horizont ethischer Zielsetzungen. Dieser Horizont erst erm?glicht den richtigen Blick. Ein Denken, das sich auf Sachgesetzlichkeiten beschr?nkt, hingegen ordnet die Person und ihre Menschenrechte den Systemlogiken unter. Es stellt in illegitimer Weise damit die unverlierbaren Menschenrechte zur Disposition und macht sie verlierbar. Eben diese Gefahr aber verweist nochmals energisch darauf, dass der Hinweis auf Sachgesetzlichkeiten nie das letzte Wort sein darf. Gesellschaftliche Handlungssysteme existieren für den Menschen. Nicht umgekehrt.
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Literatur:
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- J. Habermas 1988: Die Moderne - ein unvollendetes Projekt, in: W. Welsch 1988 (Hg.): Wege aus der Moderne, Weinheim, 177-192
- Th. Hausmanninger 1997: Sozialethik als Strukturenethik, in: H.-J. H?hn 1997 (Hg.): Christliche Sozialethik interdisziplin?r, Paderborn, 59-88
- K. Homann, F. Blome-Drees 1992: Wirtschafts- und Unternehmensethik, G?ttingen
- W. Korff 1991: Wirtschaft vor den Herausforderungen der Umweltkrise, in: Zur kirchlichen Berufsethik - Kirche im Gespr?ch 22, 9-36
- P. Koslowski 1988: Prinzipien der ethischen ?konomie, Tübingen
- N. Luhmann 1987: Soziale Systeme, Frankfurt
- A. Müller-Armack 1965: Wirtschaftsordnung und Wirtschaftspolitik, Bern
- O.v. Nell-Breuning 1990: Den Kapitalismus umbiegen, Düsseldorf
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