Tierexperimentelle Forschung
Die Universit?tsmedizin Augsburg hat den Auftrag, biomedizinische Spitzenforschung aufzubauen, die medizinische Versorgung der Bev?lkerung zu verbessern und so menschliches Leiden zu lindern. Wissenschaftliche Arbeit ist die Voraussetzung für modernste diagnostische und therapeutische Methoden und für weitere Erfolge im Kampf gegen gro?e Volkserkrankungen wie Diabetes, Herzleiden oder Krebs.
?
Nicht alle wissenschaftlichen Fragestellungen lassen sich jedoch durch Versuche im Reagenzglas oder mit Hilfe von Computermodellen beantworten. Leben entsteht durch Interaktion: Zellen verhalten sich in Isolation oft ganz anders als im Gewebeverbund. Organe bestehen aus verschiedenen Zelltypen, die sich gegenseitig beeinflussen. Die Fehlfunktion eines Organs kann an ganz anderen Stellen im K?rper unerwartete Fernwirkungen ausl?sen. Die Zellen in jedem Organismus bilden also ein komplexes Netzwerk, in dem jede ?nderung anderswo eine Reaktion hervorrufen kann. Um dieses Netzwerk zu untersuchen und zu verstehen, ben?tigt die Forschung Zug?nge, die von der Betrachtung einzelner Moleküle über Zellen und Organe bis hin zu ganzen Organismen reichen. Neben vielen weiteren Forschungsmethoden schlie?t dies langfristig auch die Arbeit mit Versuchstieren ein, auch wenn die Entwicklung von Alternativen in den letzten Jahren gro?e Fortschritte gemacht hat. Aus diesem Grunde verfügen s?mtliche universit?tsmedizinischen Standorte in Deutschland über Einrichtungen zur Versuchstierhaltung. Auch in Augsburg gibt es eine solche. Der überwiegende Teil der Forschungsarbeiten in der Augsburger Universit?tsmedizin kommt jedoch komplett ohne Tierversuche aus.
Für ihre offene und transparente Kommunikation über Tierversuche und tierexperimentelle Forschung wurde die Medizinische Fakult?t gemeinsam mit dem Universit?tsklinikum Augsburg von "Tierversuche verstehen", einer Informationsinitiative der Allianz der Wissenschaftsorganisationen, mit einem Qualit?tssiegel ausgezeichnet.
Tierversuche an der Universit?tsmedizin Augsburg
Welchem Ziel dienen die Tierversuche?
Aktuell finden tierexperimentelle
Forschungen im Kontext der gro?en Volkserkrankungen Krebs, Demenz, Diabetes, Herzinfarkt und Schlaganfall statt. Ein zentrales Anliegen der Medizinischen Fakult?t ist es, translationale Forschung zu f?rdern. Grundlagenforscher der Universit?t und klinische Forscher aus dem Universit?tsklinikum arbeiten interdisziplin?r zusammen, um neue Erkenntnisse aus der Forschung m?glichst schnell in die klinische Anwendung und Patientenversorgung zu bringen.
?
Warum kann die Forschung noch nicht auf Tierversuche verzichten?
Wir wollen in Augsburg Krankheiten erforschen und bek?mpfen. Dafür müssen wir den komplexen menschlichen K?rper verstehen. Das funktioniert nur mit der Kombination einer Vielzahl verschiedener Methoden. Es gibt Fragestellungen, für die Tierversuche ungeeignet sind und diese dann auch nicht verwendet werden. In anderen F?llen sind wir auf Tierversuche angewiesen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das komplexe Zusammenspiel verschiedener Zellen und Organe im menschlichen K?rper erforscht werden soll. Tiermodelle bieten hier eine M?glichkeit, diese Zusammenh?nge darzustellen.
?
Kommen auch alternative Methoden zum Einsatz?
In Augsburg werden in sehr vielen Bereichen auch alternative Methoden wie Computermodelle oder das Arbeiten mit Zellkulturen verwendet. Jedes dieser Verfahren kann bestimmte Mechanismen beschreiben, andere aber nicht. Ob bei einer konkreten wissenschaftlichen Fragestellung Tierversuche zum Einsatz kommen dürfen, wird bei jedem neuen Antrag durch die zust?ndigen Beh?rden und ihre externen Kommissionen überprüft. Eine Genehmigung wird nur dann erteilt, wenn der zu erwartende Nutzen des Experiments im Verh?ltnis zur Belastung der Tiere ethisch vertretbar ist. Wie ein solches Genehmigungsverfahren exakt abl?uft, erkl?rt die Informationsinitiative Tierversuche verstehen ausführlich auf ihrer Webseite.
Forschungsinfrastruktur an der Universit?tsmedizin Augsburg
Nach den aktuellen Planungen für den künftigen Medizincampus ist die Tierhaltung im Zentrum für Integrierte und Translationale Forschung (ZeIT) vorgesehen und wird ca. 1.640 Quaratmeter umfassen mit einer Gesamtkapazit?t von ca. 8.000 K?figen für M?use. Ein Teil dieser Fl?chen kann auch für die Haltung von anderen Spezies (z.B. Ratte, Kaninchen, Schwein, Schaf, Ziege und aquatische Lebewesen) genutzt werden. Die Haltung von Primaten ist ausgeschlossen.
?
Das Geb?ude wird voraussichtlich im Jahr 2030 fertig gestellt werden. Auf insgesamt rund 13.500 Quadratmetern sollen translationale Forschungsans?tze, das hei?t die multidisziplin?re und interaktive Zusammenarbeit zwischen Grundlagenforschung und klinischer Forschung und Anwendung, gef?rdert werden. Neben der Versuchstierhaltung befinden sich im Geb?ude weitere Forschungsr?umlichkeiten, darunter ca. 4.800 Quadratmeter Labore für Forschung ohne Tierversuche, sowie weitere Einheiten für klinische Forschung und Forschungsinfrastruktur.
Bis zur Fertigstellung des neuen Medizincampus ist die Medizinische Fakult?t auf Interims-Forschungsfl?chen angewiesen. So sind für die Universit?t Augsburg unter anderem rund 1.400 Quadratmeter für Labore im SIGMA-Technopark hergerichtet worden. Diese Forschungsfl?chen umfassen auch eine kleine Versuchstierhaltung im Umfang von 250 Quadratmetern. Dort k?nnen ca. 2.500 M?use und 400 Ratten gehalten werden, andere Tierarten sind nicht vorgesehen. Neben den Haltungsr?umen stehen drei Laborr?ume zur Durchführung der eigentlichen Tierversuche zur Verfügung. Etwas mehr als die H?lfte der 250 Quadratmeter wird für die Infrastruktur ben?tigt und enth?lt Duschen, Lagerfl?chen, eine Spülküche, sowie Autoklaven und eine Wasserstoffperoxid-Schleuse zur Sterilisation von Gegenst?nden.
Bei der Forschung im SIGMA-Park handelt es sich um sogenannte Grundlagenforschung. Die dort angesiedelten Forschungsprojekte besch?ftigen sich zum Beispiel mit der Frage, welche Auswirkungen unsere Ern?hrung auf das Gehirn hat, untersuchen die Rolle von bestimmten Enzymen des Fett- und Zuckerstoffwechsels oder die Entstehung von Kreislauf- ?und Durchblutungsst?rungen. Die so gewonnenen Erkenntnisse sollen neue Einsichten über Ph?nomene erbringen, die den Krankheiten Bluthochdruck, Diabetes, Fettleibigkeit, Demenz und Krebs zugrunde liegen.
?
Ein Team aus Fachtier?rzten und speziell ausgebildeten Tierpflegerinnen und -pflegern versorgt die Tiere, sorgt für die Wahrung der tierschutzrechtlichen Aspekte, ber?t die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Durchführung der Experimente und vertritt sie gegenüber den zust?ndigen Beh?rden.
?
Fragen und Antworten zu Tieren in der Forschung
Das deutsche Tierschutzgesetz definiert Tierversuche als Eingriffe oder Behandlungen an Tieren, wenn diese mit Schmerzen, Leiden oder Sch?den für die Tiere verbunden sein k?nnen. Dies gilt für jedes Verfahren, bei dem Tiere einer Belastung ausgesetzt werden, die ?dem eines Kanüleneinstichs gem?? guter tier?rztlicher Praxis gleichkommt oder darüber hinausgeht“ (Artikel 3, 2010/63/EU). In der Praxis bedeutet dies, dass jede Behandlung von Tieren zu wissenschaftlichen Zwecken als Tierversuch erfasst und von einer Beh?rde genehmigt werden muss. Der Schutz erstreckt sich auf alle Wirbeltiere, Kopffü?ler wie zum Beispiel der Oktopus und Zehnfu?krebse, zu denen der Hummer z?hlt.
?
Was ist kein Tierveruch?
Das T?ten von Tieren allein zum Zweck der Organentnahme oder der Gewinnung von Zellen gilt nicht als Tierversuch. Die Zellen oder Organe werden entweder unmittelbar untersucht oder zum Aufbau einer Zell- oder Gewebekultur genutzt. Solche In-vitro-Kulturen k?nnen Untersuchungen am lebenden Tier erg?nzen und teilweise ersetzen. Sie erm?glichen die Entwicklung von Alternativmethoden zum Tierversuch. Etwa ein Drittel aller in der Forschung verwendeten Tiere wird für diese In-vitro-Methoden eingesetzt.
In der medizinischen Forschung werden Tierversuche gemacht, um bisher unbekannte Lebensvorg?nge und grundlegende biologische Zusammenh?nge aufzukl?ren. Mit diesen Erkenntnissen wiederum k?nnen die Diagnostik und Behandlung menschlicher Erkrankungen verbessert werden. Etwa ein Drittel der in der Forschung eingesetzten Tiere dienen der Entnahme von Zellen oder Gewebe, ohne dass mit ihnen Tierversuche durchgeführt wurden. An diesen Proben werden grundlegende biochemische Prozesse auf Zell-Ebene untersucht und neue Wege pharmakologischer Behandlung erprobt.
?
Die Forschung an Tieren ist in Deutschland und in der EU strikt reguliert. Es gelten hierfür die entsprechenden Vorschriften der Europ?ischen Tierschutzrichtlinie, des deutschen Tierschutzgesetzes sowie der Verordnung zum Schutz von zu Versuchszwecken oder zu anderen wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Tieren (TierSchVersV). Diese Vorschriften gelten auch für den Betrieb von Versuchstierhaltungen und müssen bereits bei der baulichen Umsetzung und für die technische Ausstattung von Versuchstierhaltungen berücksichtigt werden.
Neben diesen gesetzlichen Vorgaben zum Schutz der Tiere gibt es auch Vorschriften, die Tierversuche fordern: Sicherheitsprüfungen, Qualit?tskontrollen oder toxikologische Prüfungen nach dem Chemikalien-, Arzneimittel- oder Lebensmittelhygienerecht sind Voraussetzung für die Zulassung von Medikamenten oder anderen Stoffen, mit denen der Mensch in Berührung kommt.
Mitgefühl ist der wichtigste Antrieb für medizinische Forschung und ihre konkrete Umsetzung. Die Gesellschaft steht immer wieder aufs Neue vor der Aufgabe, die Belastung von Versuchstieren abzuw?gen. Gleichzeitig ist es die Aufgabe der medizinischen Forschung und der Universit?tsmedizin, durch immer bessere Behandlungsmethoden und Versorgung das Leid und die Belastung, die Erkrankungen beim Menschen verursachen, zu mindern und zu lindern. Es muss stets genau geprüft werden, ob ein Tierversuch für die Beantwortung einer wissenschaftlichen Fragestellung unumg?nglich ist und ob der daraus für den Menschen zu erwartende Nutzen ein tierexperimentelles Vorgehen rechtfertigt. Dies ist auch gesetzlich so vorgeschrieben und Voraussetzung für die Genehmigung von Tierversuchen. Jede Art von Forschung muss ethisch reflektiert und gerechtfertigt sein.
Dies ist ganz besonders unerl?sslich bei Forschungen an Menschen oder Tieren. Die tierethische Pflicht zur Minimierung von Leiden von Tieren erfordert vor jedem Versuch mit Tieren eine Abw?gung, ob der zu erwartende Nutzen für den Menschen wichtiger ist als die zu erwartende Belastung für das Tier. Gleichzeitig ist diese Belastung auf das geringstm?gliche Ma? zu beschr?nken. Erst dann kann ein Tierversuch als ethisch vertretbar gelten.
Mit dem 3R-Prinzip (Replace, Reduce, Refine) gelten strenge Regelungen für die tierexperimentelle Forschung. Konkret hei?t das: Es dürfen nur dann Tierversuche durchgeführt werden, wenn nachweislich keine anderen geeigneten Methoden zur Verfügung stehen, um eine wissenschaftliche Fragestellung zu bearbeiten. Anzahl und Belastung der eingesetzten Tiere sind dabei auf ein notwendiges Ma? zu beschr?nken. Jeder Tierversuch muss durch die zust?ndige Beh?rde genehmigt werden.
Obwohl in der Forschung nicht vollst?ndig auf Tierversuche verzichtet werden kann, besteht Konsens darüber, dass sie auf ein notwendiges Minimum zu beschr?nken sind. Als Richtlinie gilt das 3 R-Prinzip, das für die drei Begriffe replacement (Vermeidung), reduction (Verringerung) und refinement (Verbesserung) steht. Ziel des Prinzips ist es, Tierversuche wenn m?glich zu vermeiden, die Zahl der Tiere in Versuchen zu reduzieren und ihre Belastung auf das unerl?ssliche Ma? zu beschr?nken. Die konsequente und verantwortungsvolle Umsetzung des 3 R-Prinzips tr?gt ethischen Bedenken gegen die Verwendung von Tieren Rechnung und verbessert darüber hinaus die Qualit?t der Versuchsergebnisse.
Tierversuche sind verboten, wenn es alternative Methoden gibt. Bei Tierversuchen muss jeder Wissenschaftler nachweisen, dass er seine Fragestellung nicht anderweitig beantworten kann. Au?erdem ist er verpflichtet, den Einsatz von Versuchstieren so weit wie m?glich zu begrenzen. Zu den Alternativen z?hlen zum Beispiel Computersimulationen oder Zell- und Gewebekulturen. Dennoch gibt es Bereiche, in denen Versuche an Tieren nicht ersetzt werden k?nnen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Forscher komplexe Zusammenh?nge im K?rper untersuchen wollen, wie zum Beispiel Kreislauf- und Gehirnfunktionen.
Die Versuchstiere dienen als Modell für bestimmte Mechanismen des menschlichen K?rpers. Das Gleiche gilt für alternative Methoden wie Computermodelle oder Zellkulturen. Jedes dieser Verfahren kann bestimmte Mechanismen beschreiben, andere aber nicht. Wollen wir Krankheiten bek?mpfen, dann müssen wir den komplexen menschlichen K?rper verstehen. Das funktioniert nur mit einer Vielzahl verschiedener Methoden. In einigen Bereichen sind Tierversuche ungeeignet und werden daher auch nicht verwendet. In anderen F?llen sind wir auf Tierversuche angewiesen. Zum Beispiel bei der Beurteilung zur Giftigkeit von Medikamenten muss man das Zusammenspiel aller Organe im K?rper beachten. Tierversuche liefern hier eine Erfolgsquote von 65 Prozent. Erst wenn alternative Methoden ?hnlich erfolgreich sind, k?nnen sie die Tierversuche ersetzen.
Bereits seit 1998 sind Tierversuche um Kosmetika zu prüfen in Deutschland verboten. Seit 2004 dürfen innerhalb der EU keine Tierversuche mehr für kosmetische Fertigprodukte durchgeführt werden. Seit Juli 2013 gilt zudem die Beschr?nkung, dass innerhalb der EU keine Tierversuche zur Prüfung von Inhaltsstoffen von Kosmetika durchgeführt werden dürfen.
Initiative Transparente Tierversuche
Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) und die von der Allianz der Wissenschaftsorganisationen getragene Informationsplattform ?Tierversuche verstehen“ haben gemeinsam die ?Initiative Transparente Tierversuche“ gegründet. Zu den 53 Erstunterzeichnenden der Initiative geh?ren auch die Universit?t Augsburg sowie das Universit?tsklinikum. Universit?t und Universit?tsklinikum bekr?ftigen damit ihr gemeinsames Anliegen, von Beginn an offen und transparent zum Thema zu kommunizieren, noch bevor eine Tierversuchshaltung am Standort Augsburg eingerichtet wurde.
Für die transparente Information und offene Kommunikation über Tierversuche in der Forschung
?
Ziel der Initiative, die am 1. Juli 2021 startete, ist es, transparent über Tierversuche zu informieren, den ?ffentlichen Dialog über tierexperimentelle Forschung aktiv mitzugestalten sowie untereinander Erfahrungen auszutauschen und Aktivit?ten bekannt zu machen. Zu den Mitglieder geh?ren Universit?ten, Klinika, au?eruniversit?re Forschungseinrichtungen, forschende Unternehmen sowie Fachgesellschaften und F?rderorganisationen. Die eigens für die Initiative eingerichtete Webseite listet alle Unterzeichnenden auf, bietet Beispiele für gelungene Kommunikation zu Tierversuchen und stellt Informationen zur Unterstützung der Unterzeichnenden bei der Umsetzung der genannten Ziele zur Verfügung.
?
Die Initiative Transparente Tierversuche reiht sich in verschiedene Kommunikationsaktivit?ten weltweit ein. Anlass ist der von der European Animal Research Association (EARA) organisierte, internationale ?Be Open about Animal Research Day”, ein Aktionstag, in dessen Rahmen Beispiele für Offenheit und Transparenz in der tierexperimentellen Forschung geteilt werden. Die begleitende Social-Media-Kampagne ist unter dem Hashtag #BOARD21 zu finden.
?
Kontakt
Bei weiteren Fragen zum Thema tierexperimentelle Forschung an der Universit?t Augsburg steht Ihnen die Pressestelle der Universit?t Augsburg zur Verfügung.
?
E-Mail: info@presse.uni-augsburg.de
?