Leitung: Prof. Dr. Valentin Kockel und PD Dr. Salvatore Ortisi
Bauaufnahme: Dipl. Ing. Rainer Zahn
Teilnehmer: Studenten der Universit?ten Augsburg, München, K?ln und Leipzig
Zeitraum: Grabungen 1997-2001. Publikation in Vorbereitung
Finanzierung: Universit?t Augsburg; Deutsche Forschungsgemeinschaft; Kommission zur Erforschung des Antiken St?dtewesens der Bayerischen Akademie der Wissenschaften
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Lage, Grabungsgeschichte und Identifikation des sogen. macellum von Ostia
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In den Monaten Juni bis September 1938 wurde von Guido Calza, dem damaligen Leiter der Ausgrabungen in Ostia, ein gr??erer Komplex freigelegt, der sich an einem Stra?enstern direkt vor dem westlichen Tor des republikanischen Castrum von Ostia befindet (s. Lageplan Abb. 1). Bald identifizierte Calza diesen Komplex mit dem epigraphisch überlieferten macellum, dem Lebensmittelmarkt von Ostia. Diese Bezeichnung ist bis heute üblich. Die Ergebnisse der Ausgrabungen wurden nie publiziert.
Die Anlage (Abb. 2) besteht aus einem im N liegenden, einst mehrst?ckigen Wohnblock, einer insula, mit einer vorgelagerten Porticus, sowie einem südlich davon angeordneten Hof (Abb. 3), an dessen Westseite sich ein "Podium" befindet, auf dem heute mehrere S?ulen stehen (Abb. 4).
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Calzas Ausgrabungen beschr?nkten sich auf ein Niveau, das man damals wohl für mittelkaiserzeitlich hielt. Zahlreiche, meist flache Sondagen wurden wieder verfüllt (Abb. 5). Weitere Schnitte wurden zu Beginn der fünfziger Jahre von Italo Gismondi angelegt und fanden ihren Niederschlag in den Phasenpl?nen der grundlegenden Publikation "Scavi di Ostia" Band I (1953).
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Den heutigen Besucher verwirren die z.T. umfassenden Ver?nderungen durch die Ausgr?ber. Um eine in sich koh?rent erscheinende Ruine zu gestalten, wurden bei den bald nach der Ausgrabung einsetzenden Restaurierungen ?ffnungen in den W?nden geschlossen, verschlossene Türen ge?ffnet, marmorne B?den und Becken weitgehend erg?nzt. Vor allem das den Hof heute mit einer S?ulenstellung dominierende Podium erweist sich als weitgehend fiktive Restaurierung.
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Insgesamt bietet sich der für den Besucher heute sichtbare Befund des sog. macellum als ein im Einzelnen schwer verst?ndlicher Komplex aus Mauern und B?den ganz verschiedener Zeitstufen dar.
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Grabungen der Universit?t Augsburg
Dank des Entgegenkommens der Soprintendenza di Ostia war es m?glich, von 1997 bis 2001 jeweils einen Monat im sog. Macellum zu graben. Unser Ziel war eine Kl?rung der offenbar komplizierten Siedlungsgeschichte an dieser Stelle sowie eine ?berprüfung der traditionellen Benennung des Komplexes.
Das bereits unmittelbar nach der Freilegung stark restaurierte sogen. macellum weist in seinem Grundri? zahlreiche Eigenheiten und Ungereimtheiten auf, die bereits vor Beginn unserer Ausgrabung auf eine komplexe Baugeschichte schlie?en lie?en. Das Ziel der stratigrafischen Untersuchungen war es daher, die Baugeschichte der Hofanlage und ihrer Vorg?ngerbebauung zu rekonstruieren und die verschiedenen Entwicklungsphasen zeitlich einzuordnen.
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Nach Abschlu? der Ausgrabungen k?nnen wir für das gesamte Areal eine mehrphasige, sehr komplexe Siedlungsbebauung nachweisen, die in verschiedenen Bereichen eine oft stark voneinander abweichende und sehr differenzierte Entwicklung erkennen l??t. Die ?lteste Bebauung war in Form einer massiven Tuffquadermauer fassbar (Abb. 6), die unmittelbar auf dem pr?historischen Lagunenstrand gegründet ist. Die qualit?tvollen Funde, darunter eine gro?e Zahl von schwarz engobierten Gef??en, l??t auf ein bedeutenderes Geb?ude schlie?en, das bereits im 3. Jahrhundert v. Chr. an prominenter Stelle, unmittelbar vor dem Westtor des republikanischen castrum angelegt wurde.
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Nach einem Brand scheint das Bauwerk aufgegeben und seit der Mitte des 1. Jhs. v. Chr. durch eine mehrphasige Wohnbebauung ersetzt worden zu sein. Die gut erhaltenen, z. T. mit farbigen Einlagen verzierten Estrichb?den aus opus signinum belegen Wohntrakte einer oder mehrerer vornehmer domus, zu der entlang der Via del Pomerio auch Wirtschaftsr?ume mit einfachen Lehm und Holzb?den geh?rten. In der frühen Kaiserzeit wurde der gesamte Bereich umstrukturiert, die domus abgerissen und einplaniert und durch eine Reihe wohl mehrgeschossiger Ladenlokale, tabernae, ersetzt (Abb. 7).
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Gegen Ende des 1. Jahrhunderts erhielt das Areal seine heute sichtbare Form. An einen Hof im Süden schlie?t sich im Norden eine an der via decumana orientierte, zweiphasige insula-Bebauung an. Diese Grundstruktur blieb bis in die Sp?tantike erhalten. Zahlreiche Umbauten erweisen im Einzelnen ?nderungen in Gruppierung und Nutzung der verschiedenen R?ume oder Wohneinheiten. Zwei Glas?fen, die im 5. Jahrhundert in der nord?stlichen porticus der insula angelegt wurden, belegen strukturelle ?nderungen noch in der Sp?tantike, aber auch unerwartete wirtschaftliche Aktivit?ten (Abb. 8a und 8b).
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Die Funde – Keramik
Aus den zahlreichen Planier- und Auffüllschichten im Bereich des sogen. macellum konnte eine gro?e Menge vor allem an Keramikfunden geborgen werden, die nicht nur einen guten ?berblick über die r?mische Sachkultur des 3. Jahrhunderts v. Chr. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. bietet, sondern auch Rückschlüsse auf das Alltagsleben erlaubt.
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Schwarz engobierte Feinkeramik aus Mittel- und Unteritalien, die sogen. Campana-Ware, Amphoren aus Italien, Sizilien und den punischen St?dten Nordafrikas belegen die weitreichenden Handelsverbindungen des republikanischen Rom. Sie sind gleichzeitig ein Hinweis auf die wohlhabenden Bewohner der unter dem ?macellum"-Komplex gelegenen, ?lteren domus. Zu den qualit?tvollsten Funden geh?ren Bruchstücke bemalter oder mit kleinen Stempeln (Punzen) verzierter, schwarz engobierter Becher und Schalen (Abb. 9 und 10). Kostbare Gef??e aus farbigem Glas geh?rten zum Trinkgeschirr eines gehobeneren Haushalts.
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Zu den Leitfunden der Kaiserzeit geh?rt die rot engobierte Terra Sigillata, die zahlreich in den Siedlungsschichten der tabernae gefunden wurde. W?hrend das Sigillata-Geschirr aus den frühkaiserzeitlichen Fundkomplexen noch fast ausschlie?lich aus italischen T?pferzentren stammt, dominieren bereits in den Planierschichten des 2. Jahrhunderts vor allem nordafrikanischeErzeugnisse. Mit Hilfe der Feinkeramik und der in den Auffüllungen gefundenen Amphoren lassen sich so handelsgeschichtliche Strukturen und Prozesse rekonstruieren, die allein aus den schriftlichen Quellen kaum mehr zu erschlie?en w?ren.
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Geschichte des Platzes so wesentlichen Keramik kam eine Reihe von Funden zu Tage, die zwar über den Bau selbst wenig, über Ostia insgesamt aber Einiges aussagt. So hatte schon Calza im Hofpflaster einige (bis heute unpublizierte) wiederverwendete Inschriftfragmente gefunden, denen nun eine gut erhaltene Dedikation an Hadrian hinzugefügt werden kann (Abb. 11). Ein Stück in situ gefundener Wasserleitung gibt Aufschlu? über die frühe Wasserversorgung Ostias. Bemerkenswert ist aber vor allem ein gro?er Fund von Fragmenten frühkaiserzeitlicher Wandmalerei (Abb. 12a und 12b).? Eine im 2. Jh. n. Chr. entstandene Auffüllschicht bestand fast ausschlie?lich aus z.T. qualit?tvollen Malereifragmenten, die aus W?nden des frühen vierten Stils stammen müssen. Dieser für Ostia wichtige Fund von Raumausstattung aus der Zeit vor der Mitte des 2. Jhs. n. Chr. — dem mittlerweile weitere aus anderen Grabungen hinzufügt werden k?nnen — kann jedoch keiner konkreten domus zugeordnet werden.
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Ergebnisse:
Die Arbeit im Archiv der Soprintendenza hatte uns schon zu Beginn gezeigt, da? die Funktionsbestimmung des Komplexes durch die Ausgr?ber bereits damals auf sehr unsicheren Argumenten beruhte. Unsere Ausgrabungen konnten jetzt best?tigen, da? das verkehrstechnisch zentral gelegene Grundstück mehrfach neu aufgeteilt und zu sehr verschiedenen Nutzungen erschlossen wurde. Die Benennung als macellum mu? daher abgelehnt werden. Die Erforschung der komplizierten Siedlungsgeschichte durch fast 8 Jahrhunderte führt jedoch zu einer historischen Tiefe im Erfassen von Ostia, wie sie bisher nur selten sichtbar wurde. Die Analyse der oft weitgehenden Restaurierungen und Ver?nderungen lenkt darüber hinaus den Blick auf die Vorstellungen und Wünsche der Ausgr?ber, die für jede Erforschung der antiken Hafenstadt ein gro?es Problem darstellen.
Ausgew?hlte Publikationen zum Forschungsprojekt
- S. Ortisi, Das sog. Macellum von Ostia: Aufh?hungen der sp?ten Republik und frühen Kaiserzeit vor dem Westtor des Castrums, Mededelingen van het Nederlands Instituut te Rome 58, 1999, 71–73.
- V. Kockel – S. Ortisi, Ostia. Sogenanntes Macellum (VI 5, 2). Vorbericht über die Ausgrabungen der Universit?t Augsburg 1997/8, RM 107, 2000, 351–363.
- A. Rottloff, Gl?ser und Reste von Glasverarbeitung aus Ostia, RM 107, 2000, 365–374.
- V. Kockel, Fragmente von Wandmalerei aus dem sogenannten Macellum in Ostia (IV 5,2), in: I. Bragantini (Hrsg.), Atti del X Congresso internazionale dell'AIPMA, Napoli 17-21 settembre 2001 (Neapel 2010), 481–487. (mit einem Appendix zur Datierung von Salvatore Ortisi)
- V. Kockel, Fragmente marmorner Architekturverkleidungen aus dem sog. Macellum in Ostia (IV,V,2), RM 120, 2014, 227–242.
- V. Kockel, – S. Ortisi, Increases in level and changes in use of the so-called Macellum of Ostia, in: C. de Ruyt – Th. Morard - F. van Haeperen (Hrsg.), Ostia Antica. Nouvelles études et recherches sur les quartiers occidentaux de la cité. Actes du colloque international Rome-Ostia Antica, 22-24 septembre 2014, Artes (Institut historique belge de Rome) VIII (Brüssel 2018) 207–215.