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Bauhausarchitektur in Tel Aviv

Beitrag von Christoph Hauptmann

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Bauhaus – ein Begriff mit dem viele zun?chst eine Heimwerkermarkt-Kette assoziieren, das n?chste Schlagwort dürfte Walter Gropius sein, der Begründer der Bauhaus-Schule in Dessau. Der in dieser Schule gepr?gte Stil z?hlt zu den wichtigsten Baustilen des frühen zwanzigsten Jahrhunderts.

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Abb. 1: Bauhaus-Logo Oskar Schlemmers, 1922.

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Leider deutlich weniger bekannt ist hingegen, dass Tel Aviv das weltweit gr??te Zentrum an ebendieser Bauhaus-Architektur zu bieten hat. Die heutige Metropole stellte in den 1910er Jahren durch ihre vollkommene Neukonzipierung als zweitgr??te Stadt in Israel ein gr??tenteils leeres Blatt für die Architekten dar. Der Name der Stadt leitet sich von Theodor Herzls Roman ?Altneuland“ ab, Tel hei?t ?Siedlungshügel“ und ist mit Alter konnotiert, Aviv bedeutet ?Frühling“ und stellt somit die Erneuerung dar.

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Zwar existierte mit Jaffa bereits eine antike Hafenstadt, doch die am 11. April 1909 erfolgte Neugründung des Vorortes, der sich zur Metropole entwickeln sollte, verlieh dem seit der Belagerung durch Napoleon 1799 – und der N?he zu Jerusalem – sukzessive an Relevanz verlierenden Ort neue Bedeutung. Diese wiederaufkommende Bedeutung der Siedlung schl?gt sich auch in der Architektur nieder: viele vor dem NS-Regime aus Deutschland geflohene jüdische Architekten brachten ab 1933 den in Dessau gelehrten und gelebten Bauhaus-Stil mit nach Israel und so entstand in Tel Aviv die aufgrund der vorherrschenden Geb?udefarbe sogenannte ?Wei?e Stadt“ (oder auch ?Ha’ir HaLevana“)? im internationalen Stil von Walter Gropius. Seit 2003 ist diese Sammlung an Geb?uden UNESCO-Weltkulturerbe.

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Gropius gründete 1919 in Weimar das Staatliche Bauhaus als eine Schule für Kunst und Handwerk. Die Schule führte das Kunsthandwerk und die Industrie zusammen, die bisher vornehmlich als Widerspruch wahrgenommen worden waren. Die Bandbreite erstreckte sich also über gro?e Bereiche des allt?glichen Lebens. Der hierbei gepr?gte Stil wird auch als ?Neue Sachlichkeit“ bezeichnet.

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Abb. 2: Bauhaus-Bezirke in Tel Aviv.

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Zu den Dozenten im Bauhaus z?hlten Künstler wie Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Oskar Schlemmer oder Paul Klee, deren Einflüsse sich in allen Bereichen klar zeigen. Ein erstes Musterhaus entstand auch bereits in Weimar. 1925 zog die Schule nach Dessau um. Nach der gewonnenen Gemeindewahl in Dessau verfügte die NSDAP die Schlie?ung des Bauhauses 1932. Zu dieser Zeit begannen die Schüler, in die ganze Welt auszuwandern, wobei sie den Stil international verbreiteten.

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Der architektonische Stil des Bauhauses zeichnet sich insbesondere durch eine sehr klare Linienführung aus, die die Vertikale und Horizontale besonders betont und Diagonalen vermeidet, es gibt viele rechte Winkel sowie gro?e Glasfl?chen, die teilweise ganze Geb?udeseiten in Beschlag nehmen. Runde Elemente sind nur als Kreissegmente zu finden, die Ecken gro?zügig abrunden. Spitzwinklige ?berkrage, wie beispielsweise an D?chern, werden genauso vermieden, wie nicht-rechtwinklige Konstruktionen, sodass die Bauten h?ufig wie aus verschiedenen Quadern zusammengesetzt wirken. Die noch im Art Nouveau sehr reichhaltig vorkommenden Ornamente, die bereits im Art Déco stark abnahmen, werden im Bauhaus vollkommen entfernt, sodass die Fassadenfl?chen klar und ?sauber“ erscheinen. Bei den verwendeten Materialien zeigt sich eine Fortsetzung der jüngsten Entwicklungen: seit dem Aufkommen der Metallbauweise im Zuge der Industrialisierung im 19. Jahrhundert wurde Schmiedeeisen und ab dem frühen 20. Jahrhundert Stahl für die Tr?gerkonstruktionen der Geb?ude verwendet. Im Bauhausstil tritt dieses Material vor allem in Verbindung mit Glas an den Fassaden zu Tage, aber auch die Trageigenschaften des Stahls werden für weit herauskragende Balkone genutzt oder ganze Vord?cher mit sichtbarer Stahlkonstruktion realisiert. Auch hier bleibt die Pr?misse aber, dass die Winkel 90 Grad zu betragen haben. Es regieren gro?e wei?e Fl?chen, die nur stellenweise durch farbige Elemente akzentuiert oder durchbrochen werden. Der Bauhaus-Stil stellt damit quasi das stilistische Sprungbrett in die Moderne dar, und auch heute finden sich noch viele Elemente – oder auch das Fehlen solcher – in der zeitgen?ssischen Architektur.

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Die Geb?ude der ?Wei?en Stadt“ entstanden gr??tenteils in den Drei?igerjahren des 20. Jahrhunderts, als jüdische Architekten vor dem nationalsozialistischen Regime nach Israel flohen. Diese lie?en auf dem Raster, das der schottische St?dteplaner Sir Patrick Geddes in den Zwanzigerjahren ausgearbeitet hatte, Geb?ude im Stil der Gropius-Schule errichten, den sie aus Deutschland mitgebracht hatten. Geddes selbst hatte jedoch keine baulichen Vorschriften gegeben, die diese Architektur vorgeschrieben h?tten. Vielmehr nutzten die Architekten die entstehende Stadt als Spielwiese, ihren neuen Stil zu erproben und zu verfeinern. Die Stadt gilt auch deswegen als Enklave des Westens im Nahen Osten.

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Abb. 3: Dizengoff-Platz in den 1940er Jahren.

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Die rund 4.000 Bauhaus-Geb?ude Tel Avivs sind über die gesamte Stadt verteilt, wobei sich entlang des Rothschild-Boulevards und im Bereich des Dizengoff-Platzes besonders viele Bauwerke befinden. Dadurch ist die ?Wei?e Stadt“ nicht ein eigenes Viertel im direkten Sinne, sondern vielmehr ein ?berbegriff für die Bauhaus-Bauten in ganz Tel Aviv.

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Eines der Zentren dieses Stiles bildet der Dizengoff-Platz (?Kikar Tsina Dizengof“, benannt nach der Frau von Tel Avivs erstem Bürgermeister, Tsina Dizengoff), der ab 1934 gebaut und 1938 eingeweiht wurde.

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Abb. 4: Zweigeschossiges Layout 2010.

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In seiner Urform war der Platz als überdachtes Parkhaus geplant, wurde dann jedoch als Rondell mit umlaufendem Kreisverkehr realisiert. In diesen flossen vier der gr??eren Stra?en der Stadt sowie zwei kleinere. 1978 wurde der Platz neukonzipiert. Es wurde eine Plattform für Fu?g?nger ?aufgesetzt“, wodurch sich ein gro?er freier Platz im ?ersten Stock“ ergab, wohingegen der Verkehr fortan unter dem Platz hindurch geleitet wurde. In der Mitte der Plattform befand sich ein Brunnen, der zun?chst eine Glasstatue, ab 1986 eine bunte Skulptur im Stil der ?Neuen Sachlichkeit“ zum Zentrum hatte, und den Namen ?Fire and Water Fountain“ tr?gt. Seit der Jahrtausendwende entwickelte sich zunehmend eine ?ffentliche Diskussion, den Platz in seinen Urzustand zurück zu versetzen, was zun?chst zu Erhaltungsma?nahmen 2010 führte. Seit Januar 2017 sind Bauarbeiten zum Rückbau im Gang. Die Eckbauten zwischen den sechs Stra?en des Platzes sind im Stil des Bauhauses gehalten, wodurch der Platz zu einem der Zentren von Tel Avivs Bauhausarchitektur wird. Teilweise waren diese Geb?ude, ebenso wie der Platz selbst, bis 2003 dem Verfall preisgegeben.

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Ein weiteres Zentrum bildet der Rothschild-Boulevard (Sderot Rothschild), der die repr?sentativsten Geb?ude Tel Avivs beherbergt. Zun?chst ?Rehov HaAm“ genannt, ist der Boulevard eine der ersten geplanten Stra?en der Stadt, die Raum für eine Flaniermeile bieten. Von beeindruckenden Geb?uden des internationalen Stiles flankiert, bietet die in der Mitte zwischen den Fahrstreifen gelegene Allee eine gute M?glichkeit, im Schatten der Ficusb?ume zu flanieren. Hier hat das internationale Flair Einzug gehalten, die ans?ssigen Cafés und Restaurants laden zum Verweilen ein und bieten dabei sowohl regionale als auch fremdl?ndische Küche an. Zwischen den historischen Bauhausgeb?uden entsteht hier zunehmend auch ein Bezirk mit Wolkenkratzern, die, wie auch in vielen westlichen Gro?st?dten, zumeist Finanzgewerbe beherbergen. Zudem befinden sich in der Stra?e die Independence Hall und verschiedene andere Museen. Doch auch hier waren die Geb?ude lange Zeit ohne Fürsorge behandelt worden, sodass sie h?ufig verfallen waren. Dieser Zustand wurde in den Neunzigerjahren und bis 2005 jedoch gezielt bek?mpft. Infolgedessen ist die Stra?e heutzutage wieder ein blühender Teil der Stadt.

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Die Sheinkin-Stra?e (Rehov Sheinkin) stellt – in einem optisch klaren Gegensatz zum Rothschild-Boulevard – mit ihren Gesch?ften eine weitere Ikone des Bauhausstiles dar; sie ist für viele Israelis der wahre Inbegriff Tel Avivs. Hier finden sich alteingesessene L?den und Cafés, aber auch moderne Filialen gro?er Ketten. Ein Teil der Geb?ude ist bereits restauriert, doch auch hier ist der Verfall deutlich sichtbar, dem die ?Wei?e Stadt“ bis zur Erhebung zum Weltkulturerbe überlassen war. Das Bauhaus Center in der Rehov Meir Dizengoff bietet Ausstellungen zum Thema Bauhausarchitektur sowie für Interessierte eine Karte mit allen Bauhausgeb?uden der Stadt, einen Audioguide und geführte Touren an.

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Literatur

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Abbildungen

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