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Augsburg
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Aufruf zur Einreichung von Abstracts für den XXXVII. Romanistentag in Augsburg
?Europa zwischen Regionalismus und Globalisierung“
(04.-07.10.2021)

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Liebe Romanist*innen,

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ich hoffe, dass Sie alle bisher gut durch diese sehr ungew?hnliche Zeit gekommen sind. Nach wie vor bin ich guter Hoffnung, dass wir uns im n?chsten Oktober (04.10.2021-07.10.2021) m?glichst zahlreich zum XXXVII. Romanistentag in Augsburg zusammenfinden werden. Das Rahmenthema ?Europa zwischen Regionalismus und Globalisierung“ soll zum einen politisch aktuellen Themen und Fragestellungen Rechnung tragen, bietet aber auch M?glichkeiten, über generelle Fragestellungen der Romanistik nachzudenken.

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Mit ihrem Forschungsgegenstand, d.h. den romanischen Sprachen, Literaturen und Kulturen, stellt die deutschsprachige Romanistik seit jeher die Frage nach der Beziehung zwischen Nordeuropa und den europ?ischen Mittelmeerregionen. Schon Ernst Robert Curtius behandelte die Ursprünge Europas in seinem Werk Europ?ische Literatur und lateinisches Mittelalter (1948). In einer Zeit, in der Europa zwischen nationalem Reaktionismus und integrativer Erweiterung oszilliert, soll dieser Romanistentag Anlass geben, über die m?glichen Beitr?ge des Faches zu einer Reflexion über Europa nachzudenken.

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Das Thema knüpft an den Austragungsort der Tagung an. Die Friedensstadt Augsburg ist eine bedeutende Stadt der Renaissance, aber auch der r?mischen Antike. Sie ist ein historischer Knotenpunkt zwischen Nord- und Südeuropa, wirtschaftlich wie auch kulturell (Fugger, Buchhandel etc.).

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Zahlreiche Sektionsvorschl?ge sind bis Juni 2020 bei uns eingegangen, für die wir uns recht herzlich bedanken m?chten. Aus den eingereichten Sektionsvorschl?gen haben sechs anonyme Gutachter*innen in einem double-blind peer review Verfahren 22 Sektionen ausgew?hlt: sieben aus der Literaturwissenschaft, acht aus der Sprachwissenschaft, sechs aus der Kulturwissenschaft und eine aus der Didaktik. Den sechs Gutachter*innen sei an dieser Stelle herzlich gedankt!

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Wir freuen uns auf Ihre Beitragsvorschl?ge (max. 600 W?rter inkl. Auswahlbibliographie), die bis sp?testens 30.01.2021 bei den Sektionsleiter*innen eingehen sollen.

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Rotraud von Kulessa (Augsburg)
Pr?sidentin des Deutschen Romanistenverbands

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Sektionen Literaturwissenschaft

Sektionsbeitr?ge

Sektionsprogramm

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Beschreibung

Die Aufkl?rung l?sst sich zweifelsohne als ein Zeitalter der globalen Expansion beschreiben, wenn diese Expansion auch anders als in den beiden ihm vorangehenden Jahrhunderten charakterisiert ist. Signatur des 18. Jahrhunderts ist weniger der Schock des Neuen als die Reflexion des Anderen. Die Eroberungen und Entdeckungen konzentrieren sich nun eher auf den pazifischen Raum, eine Vielzahl von Forschungsreisen führen aber auch in geographisch n?here R?ume, vom Maghreb bis in den Kaukasus. Politisch ist man haupts?chlich um die Konsolidierung bestehender kolonialer Dominanzverh?ltnisse bemüht, wissenschaftlich-literarisch hingegen ist der Diskurs in Europa auf die ganze Welt hin ge?ffnet. Freilich ist dies eine ?ffnung, die eine Selbstreflexion, ja Selbsthinterfragung impliziert und damit konkurrierende Deutungsansprüche spiegelt.

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Begegnungen zwischen Kolonisatoren und Kolonisierten werden vielfach zum Gegenstand, und zwar sowohl in nach damaligem Stand als wissenschaftlich geltenden Schriften (v.a. aus den Bereichen der sich langsam entwickelnden Ethnologie und Anthropologie) als auch im Bereich der fiktionalen Literatur. Wenn deren Fokus h?ufig der (hypothetisch angenommene) Naturzustand ist, sind die Vorstellungen von diesem in der Regel als Deutung und Urteil über die eigenen europ?ischen Zust?nde zu lesen.
Die überseeischen Gebiete eignen sich auf besondere Art und Weise für solche Reflexionen und Projektionen, weil sie durch ihre gro?e Entfernung zu Europa nicht dessen (vorgeblich negativen) Einflüssen ausgesetzt sind. Frei von zivilisatorischen Zw?ngen und ohne jede zivilisatorische Depraviertheit l?sst sich hier ein ?natürliches‘ Leben nach den Regeln der Natur und entsprechend der ursprünglichen Natur des Menschen imaginieren. Bekanntlich lassen sich dabei prinzipiell zwei Pole der Wahrnehmung und Beschreibung fremder V?lker und Kulturen unterscheiden: die euphorische Positivierung des ?Wilden‘ zum bon sauvage/homme naturel, der den ursprünglichen Naturzustand des Menschen repr?sentiere, und der Behauptung der europ?ischen Superiorit?t, die teilweise klimatheoretisch ?nachzuweisen‘ unternommen wird. Ma?geblich für die jeweilige Darstellung der fremdkulturellen Wirklichkeiten und ihrer argumentativen Funktionalisierung sind dabei die Wirkabsichten und die mentalen Dispositionen der Autoren, wie beispielsweise (um erneut zwei polare Modelle zu benennen) in den Berichten europ?ischer Missionare oder in den dialogischen Texten Diderots.

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Die Kolonien sind jedoch nicht nur ein (mentaler) Begegnungsraum der Europ?er mit den kolonisierten V?lkern, sondern auch Europa wird vielfach zum Ort der interkulturellen Begegnung, sei es faktual im gelehrten, enzyklop?dischen Diskurs oder fiktional in literarischen Texten, die die Konfrontation unterschiedlicher kultureller Wertesysteme inszenieren. So ist etwa in der libertinen Literatur die Verortung des Geschehens in einem mannigfaltigen fiktiven ?Orient‘ keineswegs als blo?e Maskerade abzutun. Vor allem in der im 18. Jahrhundert sehr beliebten Gattung des Briefromans begegnen uns immer wieder ?Wilde‘, die auf unterschiedliche Weise nach Europa gekommen sind und die dortigen, aus ihrer Sicht fremdkulturellen Gegebenheiten beschreiben und bewerten. Immer herrscht eine starke Interferenz von (imaginierter) Fremd- und Eigenwahrnehmung vor.

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Die Sektion verfolgt also eine auf mehrfache Weise doppelte Ausrichtung. So will sie selbst zu einem Begegnungsraum werden, der neue Perspektiven auf die Literatur des 18. Jahrhunderts er?ffnet, indem er h?ufig ?polar‘ Getrenntes reflexiv zusammenführt: zum einen den Blick von Europa? auf die fremde Welt mit dem (fiktiven) Blick der Fremden auf Europa, zum anderen fiktionale mit faktualen Gattungen, literarische Texte (u.a. literarische Reiseberichte, Berichte über fiktive Reisen, Reiseutopien etc.) mit enzyklop?disch-wissenschaftlichen (ethnologischen, anthropologischen, politischen etc.) Schriften, und drittens Texte von Autorinnen und Autoren, die in ihrer Muttersprache schreiben, mit solchen, die sich einer anderen Sprache, etwa des Franz?sischen, als Elitensprache bedienen.

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Bei dieser Thematik liegen franz?sische Texte gewiss nahe, jedoch sind Beitr?ge aus anderen romanischen Literaturen (auch mit Blick auf ?bersetzungen) nicht nur m?glich, sondern explizit erwünscht. Eine Perspektive k?nnten beispielsweise die Rezeptions- und Reaktionsmuster bilden, die sich einerseits in den lang etablierten spanischen und portugiesischen Kolonien, andererseits im kolonialer Expansion fernen Italien im Hinblick auf die franz?sisch inspirierten Diskurse und Debatten feststellen lassen.

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Auswahlbibliographie

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Aravamudan, Srinivas (2012), Enlightenment Orientalism: resisting the rise of the novel, Chicago, University of Chicago Press.

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Baudet, Henri (1965), Paradise on Earth. Some Thoughts on European Images of Non- European Man, New

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Haven, Greenwood Press.

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Ellingson, Ter (2001), The Myth of the Noble Savage, Berkeley, University of California Press.

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Gómez de la Serna, Gaspar (1974), Los viajeros de la Ilustración, Madrid, Alianza Editorial.

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Greilich, Susanne/Struve, Karen (ed.) (2013), ?Das Andere Schreiben“. Diskursivierungen von Alterit?t in Texten der Romania (16.-19. Jahrhundert), Würzburg, K?nigshausen & Neumann.

Lüsebrink, Hans-Jürgen (ed.) (2006), Das Europa der Aufkl?rung und die au?ereurop?ische koloniale Welt, G?ttingen, Wallstein.

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Mondot, Jean (ed.) (1985), Regard de/sur l’étranger au XVIIIe siècle, Bordeaux, Presses universitaires.

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Moussa, Sarga/Stroev, Alexandre (ed.) (2014), L’invention de la Sibérie par les voyageurs et écrivains fran?ais (XVIIIe-XIXe siècles), Paris, Institut d’études slaves, Paris.

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Paschoud, Adrien (2008), Le monde amérindien au miroir des ?Lettres édifiantes et curieuses“, Oxford, Voltaire Foundation.

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Tietz, Manfred/Briesemeister, Dietrich (ed.) (2001), Los jesuitas espa?oles expulsos. Su imagen y su contribución al saber sobre el mundo hispánico en la Europa del siglo XVIII, Frankfurt am Main, Veruvert.

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Kontakt: henning.hufnagel@uzh.ch, Beatrice.Nickel@rub.de

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Sektionsbeitr?ge

Sektionsprogramm

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Sektionsbeschreibung

Je donne grande autorité à mes désirs et propensions.
Je n’aime point à guérir le mal par le mal.
Je hais les remèdes qui importunent plus que la maladie.
D’être sujet à la colique, et sujet à m’abstenir du plaisir de manger des hu?tres, ce sont deux maux pour un.
Le mal nous pince d’un c?té, la règle de l’autre.
Puisqu’on est au hasard de se méconter: hasardons-nous plust?t à la suite du plaisir. (Michel de Montaigne, De l’experience, in Essais. III)


Als Grundlage des physischen ?berlebens, der Verlockung der Sinne als Ursache von Pathologien (psychischer und somatischer), durchdringt das Essen – wie auch seine Entbehrung, der Hunger –? das Alltagsleben aller Kulturen und kennzeichnet die Literaturen als eine kraftvolle Darstellung der Wirklichkeit oder wird gar zur antonomastischen Metapher (pantagruélique, zum Beispiel in ihren diversen romanischen Deklinationen.) Essen ist ein Instrument der Kulturvermittlung, da die kulturelle Stratigraphie bei Genuss der ersten Elemente auf Epochen zurückgeht, die weit vor der Moderne liegen, als die Beziehung zwischen K?rper und Natur noch nicht der Warenlogik der Gesundheit und des individuellen Wohlbefindens unterlag.
Die Kulturvermittlung, mittels derer Lebensmittel hergestellt werden, ist zugleich auch eine Vermischung von Traditionen (man denke insbesondere an die Migrantengemeinschaften und den damit verbundenen Identit?tswert des Essens, als auch an den kulturellen Zusammenprall zwischen diesen und der aufnehmenden Gesellschaft – der leider nicht zwangsl?ufig solidarischer Natur ist).

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Essen ist darüber hinaus Agens für die Anthropisierung der Landschaft, und Geschmacksver?nderungen verursachen Umweltsch?den mit globalen Folgen (siehe Greenpeace-Bericht von 2019 “Countdown to Extinction” online:
https://storage.googleapis.com/planet4-international-stateless/2019/06/2beb7b30-
gp_countdown_to_extinction_2019.pdf): besonders aufgrund der Verbreitung des ecocriticims werden derartige Ver?nderungen in der Literatur in ihren dystopischen und pr?monitorischen Implikationen untersucht, die dann auf die bildende Kunst übertragen werden.

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Angenommen werden Beitr?ge in deutscher und romanischer Sprache, die das ?Kulturthema Essen” in seinen verschiedensten Aspekten im Kontext der romanischen Literaturen behandeln, von den food studies (in seinen wichtigsten politischen und sozio?konomischen Implikationen) bis zu historisch-philologischen Analysen, von der Linguistik (neben dem Pantagruelischen, jede literarische oder metaphorische Verwendung in Zusammenhang mit Lebensmitteln und ihrer Aufnahme, wie z.B. verzehren, verkosten, wissen über etc.) bis hin zur rein gastronomischen Analyse (wahre Kochbücher, die in literarischen Werken enthalten sind, oder die Abl?ufe eines Mittagsessens/ Banketts und ihre symbolische Implikationen), von der Ideengeschichte (Konvivialit?t in ihrem Beitrag zur Sozialit?t), bis hin zum psychoanalytischen Wert des Essens, von der Anthropologie bis zur Analyse des Essens als Identit?tselement in den literarischen Darstellungen von Migrantengemeinschaften und Minderheiten.

Auswahlbibliographie

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Abderhalden, Sandra / Dallapiazza, Michael / Macharis, Lorenzo (a cura di): Sch?ne Kunst und reiche Tafel: über die Bilder der Speisen in Literatur und Kunst. / Belle arti e buona tavola: sul significato delle pietanze nell’arte e nella letteratura. Beitr?ge der Tagungen Gie?en (11/12 Oktober 2014) und Urbino (14/15 Oktober 2014). / Atti dei convegni di Gie?en (11/12 ottobre 2014 e Urbino (14/15 ottobre 2014). Peter Lang: Berlin 2015.

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Anselmi, Gian Mario/ Ruozzi, Gino (a cura di): Banchetti letterari. Cibi, pietanze e ricette nella letteratura italiana da Dante a Camilleri. Carocci: Roma 2011.

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Camporesi, Piero: Le officine dei sensi. Garzanti: Milano 1985.

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Dürrschmidt, J?rg / Kautt, York (a cura di): Globalized eating cultures. Mediation and Mediatization. Palgrave Macmillan: Cham 2019.

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Escher, Felix / Buddeberg, Claus (a cura di): Essen und Trinken zwischen Ern?hrung, Kult und Kultur. Dt. vdf Hochschulverlag: Zürich 2003.

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Fargione, Daniela / Iovino, Serenella: Contaminazioni ecologiche. Cibi, nature e culture. Led: Milano 2015.

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Forino, Imma: La cucina. Storia culturale di un luogo domestico. Einaudi: Torino 2019.

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Illich, Ivan: Tools for Conviviality. Harper & Row: New York 1973.

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Kashiwagi-Wetzel, Kikuko / Meyer, Anne-Rose (a cura di): Theorien des Essens. Suhrkamp: Berlin 2017.

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Montanari, Massimo: La fame e l’abbondanza. Storia dell’alimentazione in Europa. Laterza: Bari-Roma 1997.

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Motta, Giovanna: Food and Culture. History Society Communication. Edizioni Nuova Cultura: Roma 2017.

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Ott, Christine: Identit?t geht durch den Magen. Mythen der Esskultur. S. Fischer: Frankfurt a. M. 2017.

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Poulain, Jean-Pierre (a cura di): Dictionnaire des cultures alimentaires. Presses Universitaires de France: Paris 2012.

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Rudke, Tanja: Kulinarische Lektüre: Vom Essen und Trinken in der Literatur. Transcript: Berlin 2014.

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Shahani, Gitanjali G.: Food and Literature. Cambridge: Cambridge University Press 2018.

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Spitzer, Leo: Die Umschreibungen des Begriffes "Hunger" im Italienischen, Halle (Saale): Max Niemeyer, 1920.

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Wierlacher, Alois/ Neumann, Gerhard / Teuteberg, Hans Jürgen (a cura di): Kulturthema Essen: Ansichten und Problemfelder. Akademie Verlag: Berlin 1993.

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Wierlacher, Alois/ Bendix, Regina (a cura di): Kulinaristik: Forschung – Lehre – Praxis. Lit.Verl. 2008.

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Kontakt: rebaudengomaurizio@gmail.com, vera_faenger@hotmail.de

Sektionsbeitr?ge und -programm

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Sektionsbeschreibung

Vor dem Hintergrund der aktuellen Krisenerfahrung von COVID19 scheinen bisher allgemeingültige Praxen und Paradigmen wie die der transarealen Mobilit?t im Kontext von Ansteckungsrisiken, aber auch Diskursen der Nachhaltigkeit neu zu perspektivieren zu sein. Dies ist der Ausgangspunkt für unsere Sektion die Serie, eine üblicherweise mit den Metropolen der Moderne assoziierte Form, mit dem Raum der ?Provinz‘ zu konfrontieren, d.h. Narrativierungen von Regionalit?t und Entschleunigung ins Zentrum zu rücken.

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Das ?sthetische Prinzip der Serie stellt eine kulturelle Manifestation prim?r urbanen Charakters dar: Es bildet sich mit der technisch-industriellen Massenkultur in Form der beschleunigten Bewegung von Mensch und Maschine heraus. Damit verbunden ist die Optimierung von Produktionsabl?ufen, aber auch die zunehmende Reglementierung und ?konomisierung des menschlichen Alltags. Durch seine Rekurrenz auf Wiederholungsstrukturen rekurriert das Serielle auch mit der Provinz, die landl?ufig vielfach als rural-monotoner und ?langweilig’-immobiler Raum verstanden wird, der von einem differenten, d.h. von modernistischen Attraktionen und Transformationen scheinbar relativ abgekoppelten Alltag und Rhythmus gepr?gt ist.
Die in den Metropolen produzierten Zeitungen und die in ihnen publizierten Feuilletonromane sind Sinnbild einer radikal beschleunigten Verbreitung von Artefakten, denen nun eine sequenziert-episodisch Form eingeschrieben ist. Doch in diesen Organen wird die Provinz als das ?entschleunigte‘ Andere der Moderne auch zu einem popul?ren Imagin?ren. Viele serielle Formate zeigen, angesichts der Industrialisierung und des sozialen Elends, aber auch von Sommerfrische und Massentourismus eine besondere Affinit?t zum Regionalen als Gegenraum. Als Beispiele hierfür k?nnen etwa Balzacs Illusions perdues (1837ff.) dienen, wo das Leben der Restauration anhand zweier rivalisierender Orte der Charente kontrastiv zu Paris verhandelt wird. Die Episoden der Zeitschrift Novela ideal (1925ff.) w?hlen die Provinz hingegen, um den widrigen Lebensbedingungen der Arbeiterklasse eine Alternativwelt entgegenzusetzen. Zeitgen?ssischer betreiben die seit einigen Jahrzehnten popul?ren Regionalkrimiserien, etwa Eva García Sáenz und Dolores Redondos baskische Erfolgsromane, eine Aufwertung des Regionalen. Maurice Pialats Miniserie La maison des bois (1970), die ein Portr?t eines kleinen entlegenen Ortes der Oise zeichnet, entwickelt mit ihrem Fokus auf lokalen Alltagshandlungen eine unspektakul?r-humanistische Poetik des Seriellen. Die popul?re Netflix-Thrillerserie Le chalet (2018) w?hlt die Provinz hingegen als Vehikel für die Mise-en-scène verdr?ngter unbewusster ?ngste.

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Diese Sektion will unterschiedlichste Manifestationen von Regionalit?t und Serialit?t ergründen –ausgehend von den kultur- und technikgeschichtlichen Umbrüchen einer sich zeitlich und r?umlich sehr unterschiedlich manifestierenden Glokalisierung. Zum einen will sie dabei ausloten, wie anhand regionaler Zugriffe soziales Zusammenleben mittels serieller Formen zwischen 1850 und 2020 in unterschiedlichen romanischen Regionen ausgehandelt wird. Wie wird in Literatur und Medien über (post-)moderne Lebensbedingungen in der Provinz reflektiert? Wie werden prototypische Themen der metropolitanen Moderne wie technischer Fortschritt und Beschleunigung, Massenkultur und Mode hier anders gefasst? Zum anderen profiliert die Sektion die inszenatorischen Spezifika, welche der Verbindung der beiden Konzepte entspringen. Im Fokus stehen dabei ebenso Repr?sentationen regionaler Chronotopoi in seriellen Formaten und Genres wie die dezentrale Produktion, Vermarktung und Rezeption serieller Artefakte.

M?gliche Themenfelder der Sektion sind u.a.:?

  • Theorien serieller Provinz’: Konzeptuelle Auseinandersetzungen mit einer spezifischen Serialit?t des Regionalen. Wie reflektieren serielle Formen seit dem Feuilletonroman ?prek?re’ rurale Lebensrealit?ten vor dem Hintergrund von Industrie- und Agrarkrisen, aber auch der Privatisierung ?ffentlicher Strukturen? Wie sind Theorien der mit Blick auf metropolitane Entwicklungen hin perspektivierten Serialit?t und Moderne regional zu adaptieren?
  • ?Lob der Provinz‘: Literatur und Medien rund um regionale Themen und (Sprach-)Minderheiten, die mit einer zyklisch-seriellen Repr?sentation einer Region verbunden sind, oft in Abgrenzung zur ?trivialen’ Kulturindustrie der Metropolen: Wie werden hier alternative Alltage in differente Poetiken übersetzt, d.h. andere R?ume, Rhythmen und (Im-) Mobilit?ten aufgezeigt (von den Félibriges über die Arbeiterliteratur bis zum italienischen Regionalkino)?
  • ?Kommerzialisierung von Provinz‘: Literarisch-mediale Hypes rund um touristisch relevante Regionen wie Sizilien, Südtirol oder die Bretagne: ihre Inszenierung in Feuilleton- oder Kriminalromanen; Strategien der multimedialen Remediatisierung (H?rbücher, Verfilmungen...) und des (in- )direkten Nutzbarmachens von Literatur für das ?Labeling‘ von Regionen (von Leonardo Sciascia bis zum Kommissar Dupin der ARD).

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Auswahlbibliographie

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Rob Allen/Thijs van den Berg ed. 2014, Serialization in Popular Culture. New York, Routledge.

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Aubry, Danielle 2006, Du roman-feuilleton à la série télévisuelle. Pour une rhétorique du genre et de la sérialité. Bern, Lang.

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Julie Bartosch 2016, Affirmation oder Dekonstruktion von Provinz. Zwei Grundtypen des Provinzkrimis, in: Germanica 58.

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Julien Bobineau/J?rg Türschmann ed. 2020, TV-Serien in der Romania. Wiesbaden: Springer VS.

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?ric Bussière 2012, Régionalisme européen et mondialisation, in: Les Cahiers Irice 9 (1).

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Frank Kelleter ed. 2012, Popul?re Serialit?t. Narration – Evolution – Distinktion. Zum seriellen Erz?hlen seit dem 19. Jahrhundert. Bielefeld, transcript.

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Matthieu Letourneux 2017, Fictions à la cha?ne. Littératures sérielles et culture médiatique. Paris, Seuil.

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PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft 23 (90), Der Nationalstaat zwischen globaler ?konomie, regionaler Blockbildung und regionalistischem Separatismus.

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Sabine Schrader/Daniel Winkler ed. 2014, TV glokal. Europ?ische Fernsehserien und transnationale Qualit?tsformate. Marburg, Schüren.

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Frans Schrijver 2006, Regionalism After Regionalisation: Spain, France and the United Kingdom. Amsterdam, University Press.

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Birgit Wagner ed. 2016, Bruch und Ende im seriellen Erz?hlen – vom Feuilletonroman zur Fernsehserie. G?ttingen, V & R unipress.

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Daniel Winkler/Ingo Pohn-Lauggas/Martina Stemberger ed. 2018, Serialit?t und Moderne. Feuilleton, Stummfilm, Avantgarde. Bielefeld, transcript.

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Kontakt: teresa.hiergeist@univie.ac.at, daniel.winkler@univie.ac.at

Sektionsprogramm

Sektionsbeitr?ge

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Sektionsbeschreibung

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Die Sektion hat ein doppeltes Erkenntnisinteresse: Sie m?chte die rum?nischen Literaturen im globalen Kontext ebenso in den Blick nehmen wie die mehrsprachigen Literaturen Rum?niens in ihrer Verschr?nkung mit der westlichen und südlichen Romania, und dabei das Potenzial der Rum?nistik für eine transnationale, komparatistisch ausgerichtete Romanistik herausstellen.

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Theoretische Grundlage der Sektion ist die Einsicht, dass nur eine relationale Epistemologie (?nodal epistemology?) erlaubt, die Wechselwirkungen im weltliterarischen System ohne west-eurozentrische Vergleiche und Verschiebungen in den Fokus zu rücken. Die Vielfalt der Literaturen, mit denen sich die Rum?nistik besch?ftigt, wird als ein Resonanzraum für die romanischen Literaturen des Westens und ihre bislang zu wenig beachteten Verflechtungen mit der südosteurop?ische Geschichte verstanden. Solch ein Zugriff erlaubt auch, den Kanon der Romanistik zu hinterfragen, denn die Rum?nistik ist in besonderem Ma?e dem Dialog zwischen den Literaturen der ?stlichen und westlichen Romania verpflichtet.

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Umso kritischer ist der Umstand zu diskutieren, dass die rum?nische Literatur lange Zeit als monokulturelle, einsprachige Nationalliteratur betrachtet wurde. Die paradoxe Erwartung einer Entwicklung vermeintlich ?typisch rum?nischer‘ literarischer Formen, die zugleich europ?isches Format aufweisen sollten, führte zu einer starken Polarisierung. Zum einen richteten Literaturhistoriker*innen ihren Blick nach Westeuropa, insbesondere nach Frankreich, um dort ?sthetische und kulturelle Modelle für die rum?nische Literatur zu finden. Diese Deutung der Konstitution der modernen rum?nischen Nationalliteratur basierte gr??tenteils auf der Idee eines Kulturtransfers von Westen nach Osten, wobei dieser Transfer als Bedingung und Grundlage lokaler Modernisierungsprozesse fungierte (?der Westen im Osten?). Dieses Ph?nomen bezeichnete die Literaturwissenschaftlerin Monica Spiridon als ?Selbstkolonisierung?.
Die entgegengesetzte Tendenz setzte mit der 拉斯维加斯赌城 nach einem vermeintlichen rum?nischen Sonderweg ein (?der Osten ohne Westen?).

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Was solche bin?ren Oppositionen (Ost-/Westeuropa) jedoch ausblenden, ist die stets vielf?ltige Einbettung der rum?nischen Literaturen: sowohl in eine lokale Geschichtsregion, n?mlich die der ost- und südosteurop?ischen Regionen, als auch in ein ? global design ? (Walter D. Mignolo), welches weit über die Grenzen des europ?ischen Kontinents hinausgeht. Im 20. Jahrhundert steht der Beitrag rum?nischsprachiger Schriftsteller*innen zu den gesamteurop?ischen Avantgardebewegungen exemplarisch für diese mehrfache Einbettung, aber man kann sie weiterhin sowohl in früheren Epochen der Literaturgeschichte als auch in unserer globalisierten Gegenwart gleicherma?en erkennen. Unsere Sektion m?chte dieses Ph?nomen der mehrfachen Bezüge in den Blick nehmen und es beispielhaft an den zahlreichen rum?nischen und osteurop?ischen Protagonist*innen in den Literaturen der gesamten Romania untersuchen.

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Schriftsteller*innen wie Anna de Noailles, Marta Bibescu/Marthe Bibesco, Ilarie Voronca, Benjamin Fundoianu/Fondane, Tristan Tzara, Mircea Eliade, Emil Cioran, Eugen Ionescu/Eugène Ionesco sind heute als ?franz?sische / frankophone Schriftsteller*innen rum?nischer Herkunft? international bekannt. Ihr Werk wird indes zu einseitig im Rahmen entweder der rum?nischen oder der franz?sischen Literatur verhandelt. Auch Bezeichnungen wie ?rum?nisch-franz?sische? Autor*innen sind keine Alternativen, sondern führen oft zu Marginalisierung in beiden Literaturgeschichten. Au?erdem hatten diese wie zahlreiche andere Akteure*innen viel komplexere Lebens- und Schaffenswege, bei denen Frankreich letztlich nur eine von mehreren Stationen war. Mircea Eliade wurde zwar in Paris, wo er lange Jahre gelebt und gearbeitet hat, international bekannt, aber sein Oeuvre und sein Leben wurden ebenso entscheidend von seinen Aufenthalten in Indien, Portugal und den USA gepr?gt. Der rum?nisch- jüdische Maler und Schriftsteller Emeric Marcier lie? sich in den 1930er Jahren in Paris nieder, musste aber in den 1940er Jahren nach Brasilien emigrieren. Solche Biographien verweisen zum einen auf die zentrale Rolle, die osteurop?ische Protagonist*innen in den westlichen romanischen Literaturen spielen. Zum anderen wird deutlich, dass das Untersuchungsfeld über die westlichen romanischen Literaturen hinaus erweitert werden muss.

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Aus der von uns vorgeschlagenen Perspektive wird klar, wie sehr die westlichen Literaturen und ihr Kanon durch emigrierte rum?nische Schriftsteller*innen modelliert wurde. Eugène Ionesco oder Emil Cioran spielten eine wichtige Rolle im franz?sischen Literaturfeld der Nachkriegszeit — doch welche Aspekte ihres Schaffens werden in der Rezeption au?er Acht gelassen? Welche Aspekte rücken dafür in den Mittelpunkt? Wie kann man in der Rezeption gerade der mehrfachen Einbettung dieser Autor*innen gerecht werden? Unter welcher Fragestellung k?nnen wir nicht zuletzt die vergessenen osteurop?ischen Protagonist*innen in der Romania in den Blick nehmen?
Damit verbunden ist die zweite Frage, die im Fokus unserer Sektion steht: Welchen Beitrag kann die Rum?nistik in diesem Zusammenhang leisten? Unser Interesse zielt auf die Entwicklung des Fachs selbst, so wie sie sich im deutschsprachigen Raum der vergangenen Jahrzehnte geschlagen hat.Dieser zweite thematische Schwerpunkt soll im Rahmen eines runden Tisches am Nachmittag des 7.10. abschlie?end diskutiert werden.

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Auswahlbibliographie

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Pascale Casanova: La République mondiale des Lettres [1999]. ?d. revue et corrigée. Paris 2008.

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Manuela Boatc?: Laboratoare ale modernit??ii. Europa de Est ?i America Latina ?n (co)rela?ie. Cluj 2020.

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Ottmar Ette: WeltFraktale: Wege durch die Literaturen der Welt. Stuttgart 2017.

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Mircea Martin, Christian Moraru, Andrei Terian (eds.): Romanian Literature as World Literature. New York 2017.

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Walter Mignolo: Local Histories, Global Designs [2000]. New Jersey 2012.

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Mihaela Ursa: Identitate ?i excentricitate: Comparatismul rom?nesc ?ntre specific local ?i globalizare. Bukarest 2013.

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Kontakt: romanita.constantinescu@rose.uni-heidelberg.de, dondorici@zedat.fu-berlin.de

Innerhalb der Erz?hlforschung nimmt die Thematik des unzuverl?ssigen Erz?hlens eine zentrale Rolle ein. Doch wann genau wird eigentlich ?unzuverl?ssig“ erz?hlt? Einem ersten intuitiven Verst?ndnis des Ph?nomens folgend l?sst sich festhalten, dass eine Erz?hlinstanz dann unzuverl?ssig ist, wenn es begründeten Anlass gibt, ihre Aussagen über die erz?hlte Welt oder die Glaubwürdigkeit ihrer Person an sich zu bezweifeln.
Demzufolge h?ngt unser Verst?ndnis von unzuverl?ssigem Erz?hlen jedoch ma?geblich davon ab, was überhaupt als ?zuverl?ssiges“ Erz?hlen gilt; eine weitere Frage, die alles andere als evident ist.

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In der Narratologie sind verschiedene Versuche unternommen worden, das Ph?nomen unzuverl?ssigen Erz?hlens zu systematisieren. W?hrend der US-amerikanische Literaturwissenschaftler W. C. Booth ?Unzuverl?ssigkeit“ in der Diskrepanz zwischen den fragwürdigen Aussagen des Erz?hlers und den Ansichten eines anzunehmenden impliziten Autors verortet (The Rhetoric of Fiction, 1961) und damit die Erz?hltheorie nachhaltig gepr?gt hat, untersucht eine konstruktivistisch gepr?gte Forschungslinie ?Unzuverl?ssigkeit“ als Lektüreeffekt, der aus der Interaktion zwischen Text und RezipientIn hervorgeht. Inkonsistenzen und Verfremdungseffekte im Text k?nnten w?hrend des Lektüreprozesses, so die theoretische Pr?misse, durch die Projektion einer unzuverl?ssigen Erz?hlinstanz rationalisiert werden (Yacobi 1987, 2001; Nünning 1998, 1999). Demzufolge ist die M?glichkeit der Wahrnehmung von Unzuverl?ssigkeit selbst wiederum dem kulturellen und historischen Wandel unterworfen (Nünning 2005).
Aktuellere Forschungsbeitr?ge wiederum tendieren dazu, den scharfen Gegensatz durch den Entwurf eines dreigliedrigen Analysemodells zu überwinden, in dem von einer Wechselbeziehung zwischen den Instanzen des Kommunikationsmodells (AutorIn-Text- LeserIn) ausgegangen wird und allen drei Bereichen Relevanz bei der Erzeugung von Unzuverl?ssigkeit zugesprochen wird (Phelan 2005; Phelan und Martin 1999; Olson 2003). Darüber hinaus haben innovative kognitionstheoretische Ans?tze auf der Grundlage evolution?rer Einsichten in kommunikative Prozesse ein erneuertes Verst?ndnis von ?Unzuverl?ssigkeit“ als unkooperativem Erz?hlen entwickelt (Kukkonen 2013).

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Wenn also davon auszugehen ist, dass erz?hlerische ?Unzuverl?ssigkeit“ fiktionaler Texte nicht objektiv gegeben ist und daher weder allein als intendierter Kunstgriff realer AutorInnen zu bewerten ist, noch eine radikal subjektive und damit letztlich arbitr?re Zuschreibung sein kann, so stellt sich auch die Frage ob und unter welchen Voraussetzungen besondere Textsignale überhaupt der Erzeugung von ?Unzuverl?ssigkeit“ dienen.

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In dieser Sektion soll dem Ph?nomen der Unzuverl?ssigkeit sowie der Frage nach den stillschweigenden Voraussetzungen nachgegangen werden, auf denen ihre Abgrenzung vom zuverl?ssigen Erz?hlen beruht, wie beispielsweise das Vertrauen in die Sprache als ad?quates Medium der Repr?sentation von Wirklichkeit und die Vorstellung des vermeintlich zuverl?ssigen Erz?hlers als fiktionales Abbild eines sich selbst transparenten, rationalen Subjekts. Damit verbunden stellen sich die Fragen nach dem Verh?ltnis zwischen Unzuverl?ssigkeit und Zuverl?ssigkeit, Referentialit?t und Selbstreferentialit?t. Insbesondere wenn Fiktion nicht die au?ersprachliche Welt abbildet, sondern in Herausgeberfiktionen, Autorfiktionen, Buch-im-Buch-Fiktionen o.?. spielerisch das Literatursystem selbst reflektiert und sich ihrer selbst bewusste Erz?hlinstanzen vom Schreiben und von sich selbst sprechen, begibt sie sich in einen Bereich der Illusionsbrüche und Verfremdungen, der Unschlüssigkeit und Unzuverl?ssigkeit zutr?glich scheint.

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Zur Diskussion stehen weitere aktuelle theoretische Fragen: Sind unzuverl?ssige Erz?hler moderner und postmoderner Literatur vorbehalten? Welche literaturwissenschaftlichen Probleme bringt die ahistorische Projektion einer unzuverl?ssigen Erz?hlinstanz als Naturalisierungsstrategie mit sich? Besteht gleicherma?en die Gefahr, kulturelle Alterit?t mit Unzuverl?ssigkeit zu verwechseln? (Jedli?ková 2008). Welche besonderen narratologischen Erkenntnisse erm?glicht die Kognitionsforschung? Und wie l?sst sich unzuverl?ssiges Erz?hlen von der fiktionale- Welten-Theorie aus denken?
Ausgehend von der aktuellen Erz?hlforschung zur Erzeugung von Unzuverl?ssigkeit in Fiktion wollen wir dazu einladen, über Einzelfallstudien und komparatistische Textanalysen zu einem tieferen Verst?ndnis zu gelangen und auch die historische Perspektive eines sich wandelnden Ph?nomens auszuloten, das innerhalb literatur- und kulturwissenschaftlicher ?berlegungen noch nicht abschlie?end diskutiert worden ist.

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Auswahlbibliographie

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Booth, W. C.: The Rhetoric of Fiction, Chicago, IL: University of Chicago Press, 1961.

Jedli?ková, A. ?An Unreliable Narrator in an Unreliable World. Negotiating between Rhetorical Narratology, Cognitive Studies and Possible Worlds Theory“, in: D’Hoker, E./Martens, G. (Hrsg.): Narrative Unreliability in the Twentieth-Century First- Person Novel, Berlin: De Gruyter, 2008.

Kukkonen, K.: ?Flouting figures. Uncooperative narration in the Fiction of Eliza Haywood“, in: Language and Literature 22 (3) 205-218, 2013.

Nünning, A.: ?Reconceptualizing Unreliable Narration: Synthesizing Cognitive and Rhetorical Approaches“, in: Phelan, J./Rabinowitz, P. J. (Hrsg.): A Companion to Narrative Theory, Malden, MA, USA Oxford, UK: Blackwell Publishing, 2005.

Nünning, A.: Unreliable Narration: Studien zur Theorie und Praxis unglaubwürdigen Erz?hlens in der englischsprachigen Erz?hlliteratur, Trier: Wissenschaftlicher Verlag Trier, 1998.

Nünning, A.: ?Unreliable, Compared to What? Towards a Cognitive Theory of Unreliable Narration: Prolegomena and Hypotheses“, in: Grünzweig, W./Solbach, A. (Hrsg.): Grenzüberschreitungen. Narratologie im Kontext/Transcending Boundaries: Narratology in Context, Tübingen: Narr Verlag, 53-73, 1999.

Phelan,J.: Living To Tell About It. A Rhetoric and Ethics of Character Narration, Ithaka, NY and London: Cornell University Press, 2005.

Phelan, J./ Martin, M. P.: ?‘The Lessons of Weymouth‘: Homodiegesis, Unreliability, Ethics and The Remains of the Day“, in: Herman, D. (Hrsg.): Narratologies: New Perspectives on Narrative Analysis, Columbus: Ohio State University Press, 88-109, 1999.

Olson, G.: ?Reconsidering Unreliability: Fallible and Untrustworthy Narrators“, in: Narrative 11, 93-109, 2003.

Yacobi, T.: ?Narrative and Normative Patterns: On Interpreting Fiction“, in: Journal of Literature Studies 3 (2), 18-41, 1987.

Yacobi, T.: ?Package Deals in Fictional Narrative: The Case of the Narrator’s (Un)reliability“, in: Narrative 9, 223-9, 2001.

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Kontakt: sarah.burnautzki@rose.uni-heidelberg.de, jobst.welge@uni-leipzig.de

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Beitragsliste

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Sektionsbeitr?ge

Programm

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Beschreibung

Die Geschichte Europas ist eine Geschichte des Kontakts. Hin- und hergerissen zwischen Frieden und Krieg, Integration und Abgrenzung, Freundschaft und Rivalit?t geht die europ?ische Identit?t aus dem Prozess eines fortw?hrenden Austarierens von N?he und Distanz hervor. Dieses – im Vergleich zu anderen Kontinenten – kleine Europa, auf dessen Fl?che sich eine verh?ltnism??ig gro?e Zahl von Staaten, Gesellschaften und Bev?lkerungsgruppen tummelt und das zudem immer wieder von au?en kommende Impulse in sich aufgenommen bzw. nach Au?en weitergegeben hat, scheint in einer ganz besonderen Weise durch Dynamiken des Kontakts gepr?gt zu sein. Gerade das Jahr 2020 hat uns durch Grenzsperrungen, Ansteckungs?ngste und das Gebot der sozialen Distanzierung wieder vor Augen geführt, welchen grundlegenden Stellenwert Kontakt für unseren gemeinsamen europ?ischen Alltag hat.

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Der Begriff des Kontakts er?ffnet eine Metaphorik des Berührens, die immer auch das Moment eines Berührt-Werdens miteinschlie?t. Diese Reziprozit?t oder Relationalit?t des Kontakts ist vielleicht nirgendwo so stark ausgepr?gt wie in den Sprach- und Kulturr?umen der Romania, die im Laufe ihrer Geschichte – insbesondere aufgrund ihrer gemeinsamen Vorl?ufersprache und der sich hieraus ergebenden sprachlichen N?he – von interkulturell wirksamen Vernetzungsdynamiken ergriffen wurden. Dies gilt insbesondere für die Epoche der Frühen Neuzeit, die sich nicht nur durch technisch- mediale Innovationen wie die Erfindung des Buchdrucks und die Entstehung eines internationalen Postwesens, sondern auch durch gemeinsam geteilte, aber auch immer wieder transnational verhandelte religi?s-weltanschaulich gepr?gte Wertvorstellungen auszeichnet. Medial konfigurierte Diskursereignisse, nicht zuletzt die Literatur und ihre sich zunehmend internationalisierende Rezeption, erweisen sich dabei als bevorzugter Berührungsraum, in dem sich in der Frühen Neuzeit kultureller Kontakt ereignen kann.
In seinem literalen Wortsinn verweist der Kontakt auch auf das Taktile und damit auf das sinnliche Evaluieren und Genie?en der materiellen Konstituenten pr?sentischer Welterfahrung. Berührungen k?nnen grob, z?rtlich, tastend, verletzend sein; sie sind aber vor allem ein Weg, sich in die unmittelbare N?he eines Anderen zu begeben. Kontakt erweist sich vor diesem Hintergrund als Erfahrung, Hervorbringung und Gestaltung von Alterit?t. Demgem?? lie?e sich die Begegnung – oder auch Berührung – mit dem Fremden als ?Dialog mit selbstst?ndigen Subjekt-Positionen“ bzw. als ?Kategorie einer konstruktiven Dialektik“ verstehen (Krusche 1990: 13), die dem Prozess der Selbst- und Fremdheitserfahrung zugrunde liegt: ?Selbstheit und Eigenheit”, so Waldenfels, ?entspringen einer Grenzziehung, die ein Drinnen vom Drau?en absondert und somit die Gestalt einer Ein- und Ausgrenzung annimmt” (2006: 30). In diesem Sinne ist es paradoxerweise gerade auch der fehlende bzw. ausbleibende Kontakt, der Selbst- und Fremdzuschreibungen, Projektionen und Abgrenzungsprozesse bef?rdert, die Familiarisierung mit dem als fremd Erfahrenen behindert und Stereotype sowie Angst- und Feindbilder festschreibt. Das Paradigma des Kontakts verspricht vor diesem Hintergrund, die spannungsreichen – und gerade als solche identit?tsstiftenden – Dynamiken des europ?ischen literarischen und kulturellen Austauschs zwischen produktiver Interrelationalit?t und Prozessen der Differenzierung und Abgrenzung zu beschreiben.

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Ein solcher Zugang erlaubt es gleichsam, Literatur in ihrer Funktion als distanzüberbrückendes Medium bzw. als Kontaktmedium zu begreifen. Ursprünglich mündlich tradierte Formen der Literatur wie die chanson de geste, das (Volks-)M?rchen oder der Ritterroman basieren auf der Synchronit?t von Produktion und Rezeption und reflektieren ihren eigenen Status im Text selbst. Dramatische Texte und lyrische Formen sind von vornherein auf Performanz und sinnliche Kommunikation angelegt und erhalten ihr volles Bedeutungspotential erst im Moment der Aktualisierung – nicht umsonst richtet sich Petrarca im ersten Sonett des Canzoniere an seine Zuh?rer*innen, ?voi, ch’ascoltate“, und nicht an ein etwaiges Lesepublikum. Demgegenüber stehen schriftgebundene Gattungen wie die Novelle und das Kunstm?rchen, die eine Kultur der Mündlichkeit künstlich zu erzeugen suchen (Aust spricht im Kontext der Novelle von einer ?Gespr?chsorigo”, 2006: 3), indem sie Pr?senz, K?rperlichkeit und N?he nicht nur simulieren, sondern auch konfigurieren. Basierend darauf lie?e sich systematisch danach fragen, welche Formen des In-Kontakt-Tretens bzw. der Dialogizit?t in literarischen Texten zum Tragen kommen. Dies wird umso sinnf?lliger in Umbruchzeiten wie der Renaissance und den folgenden Jahrhunderten, in denen sich der technisch-materiell bedingte ?bergang von einer Kultur der Mündlichkeit (und damit des Kontakts) zu einer Kultur der Schriftlichkeit (bzw. der Distanz) andeutet.
Das Paradigma des Kontakts in der Literatur der frühen Neuzeit erlaubt Reflexionen unter anderem in Hinblick auf die folgenden Aspekte:

  • Untersuchungen poetologischer bzw. motivgeschichtlicher Natur: Welche Varianten der Metaphorik des Berührens und des Kontakts kommen in der Literatur zum Tragen und welche Bedeutung kommt ihnen zu? Durch welche Verfahren werden Ph?nomene wie Z?rtlichkeit, Freundschaft oder Feindschaft literarisch thematisiert? Welche Vorstellungen von Affekt und K?rperlichkeit liegen ihnen zugrunde?
  • Kulturkontakt: Inwiefern bezeugen literarische Texte Ph?nomene wie Wissenstransfer oder Interkonfessionalit?t? Inwiefern werden europ?ische bzw. kulturübergreifende Identit?ten generiert? Und im Umkehrschluss: Welche Alterit?tsentwürfe werden dabei hergestellt?
  • Medialit?t und Intertextualit?t: Inwiefern reflektiert die Literatur ihren eigenen medialen Status als Distanz- bzw. als Kontaktmedium? Durch welche in- und extrinsischen Merkmale zeichnet sich hierbei die Literatur im Unterschied zu anderen Kunst- und Diskursformen aus? Welche nationalen, internationalen bzw. europ?ischen Netzwerkstrukturen liegen der literarischen Produktion zugrunde? Welche Ph?nomene literarischer Dialogizit?t lassen sich dabei beobachten?

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Auswahlbibliographie

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Abbattista, Guido (Hrsg.): Encountering Otherness. Diversities and Transcultural Experiences in Early Modern European Culture, Triest: Edizioni Università di Trieste 2011.

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Aust, Hugo: Novelle, Stuttgart/Weimar: Metzler 2006.

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Beaurepaire, Jean-Yves (Hrsg.): La Communication en Europe de l’Age Classique au Siècle des Lumières, Paris: Belin 2014.

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Bernier, Marc-André/Donato, Clorinda/Lüsebrink, Hans-Jürgen (Hrsg.): Jesuit Accounts of the Colonial Americas. Intercultural Transfers, Intellectual Disputes, and Textualities, Toronto: Toronto University Press 2014.

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Bihrer, Andreas/Limbeck, Sven/Schmidt, Paul Gerhard (Hrsg.): Exil, Fremdheit und Ausgrenzung in Mittelalter und früher Neuzeit, Würzburg: Ergon 2000.

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Bisang, Walter (Hrsg.): Kultur, Sprache, Kontakt, Würzburg: Ergon 2004.

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Borsò, Vittoria: Das Andere denken, schreiben, sehen. Schriften zur romanistischen Kulturwissenschaft, hrsg. von Heike Brohm/Vera Elisabeth Gerling/Bj?rn Goldammer/Beatrice Schuchardt, Bielefeld: transcript 2008.

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Budach; Gabriele; Fialais, Valérie et. al. (Hrsg.): Grenzg?nge en zones de contact. Zum 65. Geburtstag von Jürgen Erfurt, Paris: L’Harmattan 2019.

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Buschinger, Danielle: Kulturtransfer zwischen Romania und Germania im Hoch- und Sp?tmittelalter. Geburt der ?bersetzung, Berlin/Boston: de Gruyter 2019.

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Gernig, Kerstin (Hrsg.): Fremde K?rper. Zur Konstruktion des Anderen in europ?ischen Diskursen, Berlin: dahlem university press 2001.

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Greilich, Susanne/Struve, Katrin: ?Das Andere schreiben”. Diskursivierungen von Alterit?t in Texten der Romania (16.-19. Jahrhundert), Würzburg: K?nigshausen & Neumann 2013.

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Greverus, Ina-Maria (Hrsg.): Kulturkontakt, Kulturkonflikt: zur Erfahrung des Fremden, 2 Bde., Frankfurt am Main 1988.

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Heimann, Heinz-Dieter/Hlavá?ek, Ivan (Hrsg.): Kommunikationspraxis und Korrespondenzwesen im Mittelalter und der Renaissance, Paderborn: Sch?ningh 1998.

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H?fele, Andreas: Renaissance Go-Betweens: Cultural Exchange in Early Modern Europe, Berlin: de Gruyter 2005.

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Jau?, Hans Robert: Alterit?t und Modernit?t der mittelalterlichen Literatur. Gesammelte Aufs?tze 1956-1976, München: Fink 1977.

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Krusche, Dietrich (Hrsg.): Hermeneutik der Fremde, München: Iudicium 1990.

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Ders.: Fremdheit und Literatur: zur Hermeneutik kulturr?umlicher Distanz, München: Iudicium 1985.

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Kulessa, Rotraud von/Lombez, Christine (Hrsg.): De la traduction et des transferts culturels, Paris: L’Harmattan 2007.

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Lescovec, Andrea: Fremdheit und Literatur. Alternativer hermeneutischer Ansatz für eine interkulturell ausgerichtete Literaturwissenschaft, Berlin: LIT 2009.

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Lüsebrink, Hans-Jürgen: Interkulturelle Kommunikation. Interaktion – Kulturtransfer – Fremdwahrnehmung, Stuttgart/Weimar: Metzler-Verlag 2005.

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Ders.: ?Les transferts culturels: théorie, méthodes d’approche, questionnements”, in: Transfert. Exploration d’un champ conceptuel, hrsg. v. Pascal Gin/Nicolas Goyer/Walter Moser, Ottawa: Les Presses de l’Université d’Ottawa 2014, S. 25-48.

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Ders.: ?Europa als multikultureller Kommunikationsraum: Kulturtransfer, U?bersetzungsprozesse und Kommunikationsstile in interkultureller Perspektive”, in: Europa jenseits des Konvergenzparadigmas. Divergenz – Dynamik – Diskurs, hrsg. v. Christian Scholz/Peter D?rrenb?cher/Anne Rennig, Baden-Baden: Nomos 2019, S. 257-280.

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Nancy, Jean-Luc: ?Rühren, Berühren, Aufruhr”. In: SubStance 40, 3 (2011), S. 10-17.

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Stedmann, Gesa/Zimmermann (Hrsg.), Margarete: H?fe – Salons – Akademien. Kulturtransfer und Gender im Europa der frühen Neuzeit. Hildesheim/Zürich/New York: Georg Olms 2007.

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Szlezák, Edith; Szlezák Klara S. (Hrsg.): Sprach- und Kulturkontaktph?nomene in der Romania. Festschrift für Ingrid Neumann-Holzschuh zum 65. Geburtstag, Berlin: Erich Schmidt 2019.

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Waldenfels, Berhard: Grundmotive einer Ph?nomenologie des Fremden. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2006.

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Kontakt: :christoph.gross@rub.de, schoenwaelder@em.uni-frankfurt.de

Sektionsbeitr?ge

Sektionsprogramm

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Creative Commons

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Beschreibung

Die Frage nach dem Verh?ltnis von Autor*in und Werk hat in jüngster Zeit verst?rkt mediale Beachtung gefunden: Nachdem die aus (post-)strukturalistischer Perspektive vorgebrachte Verabschiedung der Autorkategorie (Barthes, Foucault, Genette) zu einem Gemeinplatz geworden war, kehrte das Thema im Umkreis der Aff?ren um Woody Allen, Gabriel Matzneff und Roman Polanski mit ungeahnter politischer Sprengkraft zurück. Der Forderung, ??uvre“ und ?artiste“ voneinander zu trennen, standen dabei diejenigen gegenüber, die in der Unterscheidung eine Akzeptanz, gar eine Apologie von Machtverh?ltnissen vermuteten. Der Künstler, so ihr Argument, sei ein Mensch wie alle anderen: eine Rechtsperson, die dem Gesetz unterliegt. Virginie Despentes etwa pl?dierte in ihrem Kommentar zum ?Polanski-Skandal“ (Libération, 1. M?rz 2020) deutlich für eine neue Moral der Autorschaft: Nicht alle ?bertretungen dürften im Namen der Kunst gerechtfertigt werden. Das Publikum tr?gt zu diesem neuen, ?verantwortlichen Autor“ bei, indem es bei der alten Vorstellung nicht mehr mitspielt: ?Maintenant on se lève et on se casse.“ Geht es in diesen Polemiken also darum, einer über der anonymen Masse stehenden Autorfigur einen neuen Platz zuzuweisen? Wenngleich der Literaturbetrieb den Autor nie vergessen hatte, so kann in der Literaturtheorie seit rund 20 Jahren von einer Rückkehr der Autorkategorie gesprochen werden. Dabei geht es nicht um die reale Autorperson, sondern um medial vermittelte Konstruktionen von Autoridentit?t (Meizoz), um historische Modelle ?auktorialer Szenographie“ (Diaz), um textimmanente Selbstbilder (Amossy) oder um werkpolitische Strategien (Martus), mit denen Autoren die Rezeption ihrer Werke steuern. Besonders in Theorien, die in der Tradition von Foucault bzw. Bourdieu stehen, betrachtet man den Autor als ?figure imaginaire“: als ?image discursive qui s’élabore aussi bien dans le texte dit littéraire que dans ses alentours“ (Amossy). Selbst- und Fremdkonstruktion, medialer Diskurs und rhetorisches Ethos, intra- und extratextuelle Strategien geraten so zu einem mobilen Feld, dessen Untersuchung vielf?ltige neue Erkenntnisse verspricht. Die Sektion nimmt diese methodischen Impulse zum Anlass, die Konstruktion von Autorfiguren in der Gegenwartsliteratur zu untersuchen, und zwar anhand von m?glichst breit gestreuten Beispielen aus der gesamten Romania. Vier mutma?liche Entwicklungen liegen dem zugrunde: a) Die Ver?nderung des medialen Umfelds im Zeichen der Digitalisierung b) die Herausbildung neuer Grenzen des moralisch Sagbaren c) eine Neuordnung des literarischen Feldes mitsamt sich wandelnder Leserschaft und d) eine Verschiebung der (realen und symbolischen) Topologien von Zentrum und Peripherie. Konstruktionen von Autorschaft reagieren sensibel auf solche Ver?nderungen: Diaz etwa bestimmt ?auktoriale Szenographien“ als historisch variable Modelle, denen sich Autoren angleichen k?nnen, um als ?Schriftsteller“ zu erscheinen. Welche neuen Szenographien finden sich in der Gegenwart? Wie h?ngen sie mit der ?starification des auteurs“ (Ducas) zusammen, nicht zuletzt mit ihrer paradoxen Spielweise (z.B. bei Enrique Vila-Matas, Elena Ferrante oder Wu Ming)? Was geschieht mit der alten Opposition von hauptst?dtischen und regionalen Autoren in L?ndern, die ihre blinden Flecken (Nicolas Mathieu), ihre literarischen Nebenschaupl?tze entdecken (Andrea Camilleri)? Auch die derzeitigen Bedingungen von Medialisierung, Werbung und Digitalem tragen zu einem neuen Begriff des Schriftstellers bei (?ric Chevillard, Nanni Balestrini…). Im Zeitalter von #MeToo erweisen sich bestimmte ?postures“ (Meizoz) als nicht l?nger haltbar, w?hrend sich neue durchsetzen: Autor*innen wie Virginie Despentes oder Le?la Slimani stürzen das Bild des (meist m?nnlichen) ?stheten, der die Grenzen der bürgerlichen Sexualmoral einrei?t, zugunsten der Haltung einer engagierten und sexuell emanzipierten Schriftstellerin. Welche neuen Funktionen und Pflichten gibt es, was soll oder darf ein Autor, eine Autorin heute – und was nicht?

M?gliche Themen:

  • Neue Ethiken von Autorschaft
  • Ende der traditionellen Szenographie des transgressiven Schriftstellers
  • Skandale und Medien
  • Sexualit?t und Identit?tspolitik
  • ?Feminisierungen“ des literarischen Felds

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  • Literarische Topologie: Auktoriale Orte
  • Literatur ohne Zentrum?
  • Quarant?ne-Tagebücher und ihre Epigonen
  • Autoren im Spannungsfeld zwischen Nationalliteratur und Europa
  • ?La France des ronds-points“, Neapel, Vigata, O Bairro (G. M. Tavares)

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  • Neue Produktionsweisen und Diffusionskan?le
  • ?wilde Literatur“ abseits traditioneller Verlage und Distributionswege
  • Autor*innen online: Selbstaushandlungen im digitalen Raum
  • Soziale Netzwerke, Followers und neue Medien als Motiv und Formprinzip in der Fiktion
  • Blogs, Facebook, Instagram: autofiktive Netzwerke?

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  • Leser gegen Autor?
  • neue Spielr?ume der Theorie: Erm?chtigung des Lesers?
  • Inszenierungen literarischer Anerkennung: Publikumspreis, Booktubers, Lesegesellschaften im Internet
  • ?Remettre le lecteur à sa place“: auktoriale Szenographien gegen den Leser

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Auswahlbibliographie


Amossy, Ruth/Bokobza Kahan, Michèle (Hrsg.): ?thos discursif et image d'auteur, in: Argumentation et analyse du discours, 3, 2009.

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Borgognoni, Debora: Lo scrittore emergente in Italia. Analisi di una subcultura nella comunicazione mediale. Padova 2017.

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Diaz, José-Luis: L’écrivain imaginaire. Scénographie auctoriale à l’époque romantique. Paris 2017.

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Ducas, Sylvie: La littérature à quel(s) prix? Histoire des prix littéraires. Paris 2013.

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Dies.: ?L‘écrivain contemporain en réseau web 2.0: retour du refoulé auctorial?“, RHLF, CXXVI, 3, 2016, S. 641-652.

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Martus, Steffen: Werkpolitik. Zur Literaturgeschichte kritischer Kommunikation vom 17. bis ins 20. Jahrhundert. Berlin/New York 2007.

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Meizoz, Jér?me: La littérature ?en personne“. Scène médiatique et formes d’incarnation. Genf 2016.

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Kontakt: vplatini@uni-kassel.de, jknobloch@uni-kassel.de

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Sektionen Sprachwissenschaft

Sektionsprogramm und Beitr?ge

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Sektionsbeschreibung

Die Geschichte der romanischen Nationalsprachen in der Frühen Neuzeit ist wesentlich durch Prozesse der Rationalisierung und der zunehmenden Verbreitung von Schreib- und Lesef?higkeiten gekennzeichnet. Die Entstehung neuer Expertengruppen im Zusammenhang mit diesen gesellschaftlichen Prozessen ist bisher jedoch kaum bei der Analyse der Standardisierungsprozesse berücksichtigt worden. Unsere Sektion hat sich das Ziel gesetzt, den Einfluss von neuen Berufsgruppen beispielweise aus dem Bereich der staatlichen Administration, des Heers oder der Marine oder aus dem Bereich des Handels auf die sprachliche Entwicklung nachzuvollziehen und die Rolle der funktionalen Schriftlichkeit im Standardisierungsprozess genauer zu bestimmen.

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Folgende Fragestellungen sind hierbei von Interesse:

  • Wie entwickeln sich Fachsprachen in den neuen Dom?nen der staatlichen Administration (z.B. Marine, Heer etc.), des sich langsam globalisierenden Handels, des Bankwesens oder der neuen technischen bzw. naturforschenden Funktionsbereiche und in welche Kommunikationsnetze sind sie eingebunden?
  • Welche semantisch-lexikalischen Neuerungen, welche syntaktischen und textuellen Innovationen bzw. Weiterführungen traditioneller Muster lassen sich in den fachsprachlichen Texten beobachten?
  • Welchen Beitrag leisten die fachsprachlichen Kommunikationsdom?nen zu überregionalen sprachlichen Vereinheitlichungen, zu Normierungsbestrebungen und zur Verbreitung der Standardsprache?
  • Welche Rolle spielt die zunehmende Professionalisierung der Ausbildung bestimmter Berufsgruppen und deren ?bernahme durch staatliche Institutionen in diesen Prozessen?
  • In welchem Verh?ltnis stehen die Entwicklungen im Bereich der funktionalen Schriftlichkeit zur literarisch-h?fischen Kultur?
  • Inwiefern sind die Differenzen und Spannungen zwischen Schriftlichkeit und Mündlichkeit relevant für die Entwicklung und in welchem Verh?ltnis stehen die Entwicklungen der funktionalen Schriftlichkeit zu dem Ph?nomen der semicolti bzw. der peu lettrés.
  • Welche Rolle spielt die ?internationale Fachsprachlichkeit“ und die ?bersetzungen von Fachtexten und Enzyklop?dien?
  • Wie entwickeln sich traditionelle Fachsprachen (z.B. Jagd, Ackerbau, Fischerei) unter den Bedingungen der frühneuzeitlichen Kommunikations- und Ausbildungsstrukturen weiter?

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Die skizzierten Fragen k?nnen nur auf der Basis einer umfassenden empirischen Dokumentation sinnvoll diskutiert werden. Auch der Kultur- und Sprachvergleich ist essenziell für eine angemessene Auseinandersetzung mit den Fragestellungen. Deshalb laden wir dazu ein, Fallbeispiele aus der Romania der Zeit zwischen 1550 bis 1850 zu kontrastieren und die Ergebnisse für einen differenzierten Blick auf die frühneuzeitlichen bzw. vormodernen Standardisierungsprozesse zu nutzen. Auf diese Weise kann die Rolle des neuen Umgangs mit Wissen, der Stellenwert der Expertenkommunikation und der anwachsenden Schriftlichkeit in den kolonialen Imperien Spaniens und Frankreichs und der See- und Handelsm?chte Italiens überprüft werden und mit den Entwicklungen in weiteren kleineren, in die Moderne hineinwachsenden Regionen der Romania kontrastiert werden.

Beitr?ge aus folgenden Disziplinen und Forschungsschwerpunkten sind willkommen: Fachsprachenforschung, historische Variet?tenlinguistik, Translationswissenschaft, Ausbaukomparatistik, Standardisierungsforschung, Forschungen zur Sprachnormierung, Schriftlichkeit-Mündlichkeitsforschung, Medienlinguistik, historische Pragmatik und diskurstraditionelle Ans?tze.
Die Sektion ist offen für Beitr?ge zu allen romanischen Sprachen.

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Auswahlbibliographie

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Albrecht, J?rn/Baum, Richard (Hg.) (1992): Fachsprache und Terminologie in Geschichte und Gegenwart. Tübingen: Narr.

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Brendecke, Arndt (2016): The Empirical Empire: Spanish Colonial Rule and the Politics of Knowledge. Oldenbourg: de Gruyter.

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Brendecke, Arndt/Friedrich, Markus/Friedrich, Susanne (Hg.) (2008): Information in der Frühen Neuzeit. Status, Best?nde, Strategien. Berlin: LIT-Verlag.

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Cavagnoli, Stefania (1999): Die italienische Fachsprachenforschung im 20. Jahrhundert. In: Lothar Hoffmann et al. (Hg.): Fachsprachen. Ein internationales Handbuch zur Fachsprachenforschung und Terminologiewissenschaft. Berlin: de Gruyter, S. 1503–1513.

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Cortelazzo, Michele A. (1988): Italienisch: Fachsprachen. Lingue speciali. In: Günter Holtus et al. (Hg.): Lexikon der Romanistischen Linguistik 4. Tübingen: Niemeyer, S. 246–255.

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D?rr, Jan-Eric (2014): Grundlagen des Fachsprachenbegriffs. In: Klaus-Dieter Baumann et al. (Hg.): Fachstile. Systematische Ortung einer interdisziplin?ren Kategorie. Berlin: Frank & Timme, S. 27–45.

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Flinzner, Katja (2006): Geschichte der technischen und naturwissenschaftlichen Fachsprachen in der Romania: Franz?sisch/Histoire des langages techniques et scientifiques dans la Romania: fran?ais. In: Gerhard Ernst et al. (Hg.): Romanische Sprachgeschichte. Ein internationales Handbuch zur Geschichte der romanischen Sprachen. Berlin u.a.: de Gruyter, S. 2211–2226.

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Giovanardi, Claudio (2006): Storia dei linguaggi tecnici e scientifici nella Romania: italiano - Geschichte der technischen und naturwissenschaftlichen Fachsprachen in der Romania: Italienisch. In: Gerhard Ernst et al. (Hg.): Romanische Sprachgeschichte. Ein internationales Handbuch zur Geschichte der romanischen Sprachen. Berlin u.a.: de Gruyter, S. 2197–2211.

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Kalverk?mper, Hartwig (1988): Fachsprachen in der Romania. Tübingen: Narr.

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Kalverk?mper, Hartwig/Baumann, Klaus-Dieter (1996): Fachliche Textsorten: Komponenten, Relationen, Strategien. Tübingen: Narr.

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Lebsanft, Franz/Schrott, Angela (2015): Diskurse, Texte, Traditionen: Modelle und Fachkulturen in der Diskussion. Modelle und Fachkulturen in der Diskussion, G?ttingen: V&R Unipress, Bonn: University Press.

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Lengersdorf, Diana/Wieser, Matthias (2014): Schlüsselwerke der Science & Technology Studies. Wiesbaden: Springer.

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Martin Kronberger u.a. (Hg.) (2019): Thinking Infrastructures. Bingley: Emerald.

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Mensching, Guido/R?ntgen, Karl-Heinz (Hg.) (1995): Studien zu romanischen Fachtexten aus Mittelalter und früher Neuzeit. Hildesheim: Olms.

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P?ckl, Wolfgang (1990): Franz?sisch: Fachsprachen. Langues de spécialité. In: Günter Holtus et al. (Hg.): Lexikon der romanistischen Linguistik. Tübingen: Niemeyer (5,1), S. 267–282.

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Raible, Wolfgang (1998): Medienwechsel: Ertr?ge aus zw?lf Jahren Forschung zum Thema "Mündlichkeit und Schriftlichkeit"; mit einem Namen- und einem umfangreichen Sachregister. Tübingen: Narr.

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Sergo, Laura/Wienen, Ursula/Atayan, Vahram (Hg.) (2013): Fachsprache(n) in der Romania. Entwicklung, Verwendung, ?bersetzung. Berlin: Frank & Timme.

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Kontakt: maria.selig@ur.de, laura.linzmeier@sprachlit.uni-regensburg.de

Sektionsbeitr?ge

Sektionsprogramm

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Beschreibung

BEWEGUNG und RAUM z?hlen zu den grundlegenden sensomotorischen Erfahrungen und stellen zentrale Komponenten der menschlichen Kognition dar. Der Ausdruck von realer und fiktiver Bewegung ist Teil unseres allt?glichen sprachlichen Handelns.
Bewegungsverben übernehmen dabei eine zentrale Rolle, was sich unter anderem bereits im Spracherwerb widerspiegelt.

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Vor diesem Hintergrund überrascht es nur wenig, dass Bewegungsverben h?ufig an Sprachwandel- und Grammatikalisierungsprozessen beteiligt sind. In den romanischen Sprachen wurde seit Anfang des 20. Jahrhunderts vor allem die Entwicklung von periphrastischen Konstruktionen zum Ausdruck von Tempus, Modus und Aspekt (z.B. frz. aller + Infinitiv/span. ir a + Infinitiv ?etw. tun werden‘) intensiv erforscht. Jüngere Arbeiten haben differenzierte diachrone und semantische Analysen entwickelt und gezeigt, dass es neben parallelen Entwicklungen auch spezifische Unterschiede gibt (vgl. katalanisch anar + Infinitiv ?etw. getan haben‘) (u.a. Projekt GRADIA).

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Insgesamt weniger Aufmerksamkeit haben die romanischen Bewegungsverben in anderen Sprachwandelprozessen erfahren, wie etwa bei der Herausbildung von Verb- Partikel-Konstruktionen (z.B. span. echar para atrás ?einen Rückzieher machen‘), von Kopulaverben (z.B. rum?n. a ajunge ?ankommen‘ > ?werden‘), Passivauxiliaren (z.B. ital. venire ?kommen‘ > ?sein‘; rum?n. a veni ?kommen‘ > ?sein‘) oder Diskurs- und Fokusmarkern (z.B. pen.span. venga, mex.span. ándale, Frz. in Kamerun j’arrive im Kontext der Verabschiedung) (u.a. Iacobini 2015; Devos/van der Wal 2014). Nicht zuletzt stellen Bewegungsverben in den romanischen Sprachen auch eine wichtige Komponente von phraseologischen Konstruktionen und Kollokationen dar (vgl. Seradilla Casta?o 2012; Siepmann/Bürgel 2019), wie u.a. die zahlreichen phraseologischen Wendungen auf der Grundlage des Verbs andar z.B. im mexikanischen Spanisch belegen: andar bruja ?estar sin dinero‘, ya le anda ?ya le urge‘.

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Weniger untersucht ist bis heute auch die Bedeutung von Konstruktionen mit Bewegungsverben in den vielf?ltigen Sprachkontaktsituationen der europ?ischen und au?ereurop?ischen Romania. Eine Ausnahme stellen die TMA-Periphrasen und Verb- Partikel-Konstruktionen im kanadischen Franz?sisch dar. Daneben finden sich einige Arbeiten zum Galizisch- und Katalanisch-Spanischen Sprachkontakt (u.a. Hernández García 1998) sowie zur kontaktinduzierten Grammatikalisierung im andinen Spanisch (u.a. Olbertz 2003). Nahezu unberücksichtigt geblieben sind die Entwicklungen in den romanischen Sprachen in Afrika, die dort mit einer Vielzahl von afrikanischen Sprachen aus verschiedenen Sprachfamilien in Kontakt stehen (vgl. Pfadenhauer i. Dr.). Bewegungsverben spielen unter anderem eine zentrale Rolle in seriellen Verbkonstruktionen bestimmter afrikanischer Sprachen und werden im Kontext der Kreolgenese auch für romanisch basierte Kreolsprachen diskutiert. Aufbauend auf diesen Forschungsergebnissen verfolgt die Sektion die folgenden Ziele: Um das grammatische, semantische und diskursive Potential von Bewegungsverben vollst?ndiger zu erfassen, sollen zum einen die Erkenntnisse zu bereits bekannten Sprachwandel- und Grammatikalisierungsprozessen um Fragestellungen erweitert werden, die bisher weniger beachtete Entwicklungen in den romanischen Sprachen fokussieren. Hierbei soll eine weite Perspektive auf Sprachwandel eingenommen werden, die nicht nur Grammatikalisierungsprozesse, sondern auch diskursive, lexikalische und phraseologische Ph?nomene und damit den Zwischenbereich von Lexikon und Grammatik in den Blick nimmt. Zum anderen soll das besondere Augenmerk der Sektionsarbeit den bislang weniger untersuchten romanischen Sprachen und Variet?ten und den Entwicklungen von Bewegungsverben in inner- und au?ereurop?ischen Sprachkontaktsituationen gelten.


M?gliche Beitr?ge sollten sich schwerpunktm??ig auf folgende Fragen konzentrieren:

  • Welche bisher weniger bekannten Sprachwandel- und Grammatikalisierungspfade von Bewegungsverben finden sich in den romanischen Sprachen?
  • Zeichnen sich im aktuellen Sprachgebrauch neue Entwicklungen bzw. Funktionen bei den bereits existierenden Konstruktionen mit Bewegungsverben ab?
  • Welche Erkenntnisse liefern Studien zu bisher weniger beachteten romanischen Sprachen und Variet?ten?
  • Welche Rolle spielen Bewegungsverben in Sprachkontaktsituationen in Europa und in der au?ereurop?ischen Romania?
  • Wie lassen sich Erkenntnisse aus der Typologie und der Forschung zu amerindischen und afrikanischen Sprachen besser mit der klassisch- romanistischen Forschung verknüpfen und für die Romanistik nutzbar machen?
  • Inwiefern k?nnen sich Arbeiten aus der Grammatikalisierungsforschung, der historischen Semantik und der Phraseologie komplementieren oder gegenseitig befruchten?

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Literaturhinweis


Devos, Maud/ van der Wal, Jenneke [Hgg.] (2014): ‘COME’ and ‘GO’ off the beaten grammaticalization path. Berlin, Boston: De Gruyter.

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Hernández García, Carmen (1998): Algunas cuestiones más sobre el contacto de lenguas: Estudio de la interferencia lingüística del catalán en el espa?ol de Catalu?a. Barcelona: Universitat de Barcelona (unver?ffentlichte Dissertation).

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Iacobini, Claudio (2015): “Particle verbs in Romance”, in: Müller, Peter O./ Ohnheiser, Ingeborg/ Olsen, Susan/ Rainer, Franz [Hgg.]: Word-Formation. An International Handbook of the Languages of Europe. Berlin, New York: De Gruyter, 626-658.

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Olbertz, Hella (2003): “<Venir + gerundio> en el espa?ol andino ecuatoriano – un producto de contacto lingüístico”, in: Claus D. Pusch/ Andreas Wesch [Hgg.]: Verbalperiphrasen in den (ibero)romanischen Sprachen. Hamburg: Buske, 89-103.

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Pfadenhauer, Katrin (i. Dr.): ?Zur Semantik von aller + Infinitiv im Kontext des Franz?sischen in Afrika“, Romanistik in Geschichte und Gegenwart 26,1.

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Serradilla Casta?o, Ana (2012): “Cuando con andar no se anda: el verbo andar en la fraseología del espa?ol clásico. Una aportación a la lexicografía histórica”, Revista de Lexicografía 18, 205-220.

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Siepmann, Dirk/ Bürgel, Christoph (2019) : “Les unités phraséologiques fondamentales du fran?ais contemporain ?, in : Kauffer, Maurice/ Keromnes, Yves [Hgg.] : Theorie und Empirie in der Phraseologie – Approches théoriques et empiriques en phraseologie. Stauffenburg: Tübingen, 189-212.

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Kontakt: katrin.pfadenhauer@uni-bayreuth.de, evelyn.wiesinger@ur.de

Die R-Laute (rhotics) bilden eine ganz besondere Gruppe von Lauten. Phonologisch sind sie relativ isoliert vom Rest des Phonemsystems. Diese im Spracherwerb besonders sp?t erworbenen Laute (Jakobson 1962) befinden sich schlie?lich laut Trubetzkoy (1939: 131) ?au?erhalb der Lokalisierungsreihen“. Vermutlich deshalb variieren sie in den Sprachen der Welt phonetisch so viel: in Artikulationsart (Trills, Taps, Frikative, Approximanten etc.), Artikulationsort (alveolar, uvular etc.) und Stimmbeteiligung (meist stimmhaft, aber auch stimmlos); dazu kommen Vokalisierung und Elision (vgl. Van de Velde/van Hout 2001, Wiese 2011). Damit k?nnen sie hervorragend als Ressource zum Ausdruck sozialer Identit?t eingesetzt werden (vgl. Celata/Meluzzi/Ricci 2016). Entsprechend h?ufig wandeln sich die R-Laute auch im Laufe der Sprachgeschichte. Bis heute gibt der ganz Europa erfassenden Wandel vom alveolaren Vibranten [r] (insbesondere im Lateinischen) zum uvularen Frikativ [?] im 17. Jahrhundert (u.a. im Franz?sischen, aber auch im Deutschen) R?tsel auf (vgl. G?schel 1971); daneben findet sich die Variante [?] aber auch in Brasilien und Puerto Rico (vgl. Graml 2009). Schlie?lich stellt sich die Frage, warum R-Laute in manchen Sprachen und Variet?ten in bestimmten phonotaktischen Positionen – insbesondere in der Silbencoda – verschwinden (vgl. Pustka 2012), sich in anderen dagegen erhalten (vgl. Sánchez-Miret 2012).

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Theoretisch stellt sich das Problem der Identit?t des bzw. der R-Laute: Was h?lt diese artikulatorisch so unterschiedlichen Realisierungen zu einer einzigen kognitiven Repr?sentation zusammen? Diese erstaunliche Einheit spiegelt die Graphie wider, indem sie die Laute einheitlich etwa im lateinischen Alphabet mit dem Graphem <r> darstellt bzw. mit Rho <ρ> im Griechischen – daher auch der Name rhotics nach (vgl. Wiese 2011). Psycholinguistische Studien zeigen sogar, dass die Repr?sentation h?ufig elidierter /r/ sich erst mit dem Erlernen der Graphie entwickelt (Chevrot/Beaud/Varga 2000). Lindau (1985) hat für dieses ?Cham?leon“ (Wiese 2003: 41) ein kognitives Prototypen-Modell vorgeschlagen, in dem die unterschiedlichen phonischen Varianten durch ein Netz geteilter Merkmale miteinander verbunden sind. Dies lie?e sich sehr gut zum Vergleich von Sprachen und Variet?ten (z.B. Abgrenzung zu /l/, /w/ und /χ/) sowie zur Identifikation diachroner Pfade (St?rkungs- und Schw?chungsprozesse in verschiedenen Silbenpositionen) nutzen. Erg?nzt werden müsste die M?glichkeit, dass Sprachen wie Spanisch und Katalanisch zwei R-Laute in Opposition zueinander setzen /?/ : /r/.

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Die romanischen Sprachen mit ihren europ?ischen und au?ereurop?ischen Variet?ten bieten ein vielversprechendes Feld, um dieses Modell zu testen und weiterzuentwickeln und damit aus der Romanistik heraus einen Beitrag für die allgemeine Sprachwissenschaft zu liefern.
Die Sektion soll aktuelle Forschungen zu den R-Lauten in den romanischen Sprachen bündeln und damit die Perspektiven von Phonetik, Phonologie, Psycholinguistik, Soziolinguistik, Dialektologie und Sprachgeschichte zusammenführen. Dabei soll es insbesondere um die folgenden Themen gehen:

  • Phonetische und phonologische Methoden zur Abgrenzung der R-Laute
  • Empirische Dokumentation der R-Laute in verschiedenen Sprachgemeinschaften in der Romania inklusive der romanisch basierten Kreolsprachen
  • Kontrastive Studien zwischen den romanischen und mit anderen Sprachen (insbesondere mit dem Deutschen und Englischen), Untersuchungen zum L1- Erwerb und Fremdsprachenlernen sowie klinische und didaktische Aspekte
  • Variation der R-Laute innerhalb der sprachlichen Systeme einzelner Sprecher*innen abh?ngig von phonotaktischen, lexikalischen und soziolinguistischen Faktoren
  • Wandel der R-Laute in den romanischen Sprachen und ihre Diffusion im Raum, auch über Sprachgrenzen hinweg
  • Theoretische Modellierung der Lautklasse(n) der R-Laute

Auswahlbibliographie

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Celata, Chiara / Meluzzi, Chiara / Ricci, Irene (2016). ?The sociophonetics of rhotic variation in Sicilian dialects and Sicilian Italian: corpus, methodology and first results”. Loquens 3/1. (doi: http://dx.doi.org/10.3989/loquens.2016.025)

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Chevrot, Jean-Pierre / Beaud, Laurence / Varga, Renata (2000). ?L’apprentissage des unités phonologiques variables: l’exemple du /R/ post-consonantique final en fran?ais”. Linx 42: 89-100.

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G?schel, Joachim (1971). ?Artikulation und Distribution der sogenannten Liquida r in den europ?ischen Sprachen”. Indogermanische Forschungen 76: 84-126.

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Graml, Carolin (2009). Puerto, RICO en Variación: Variation socio-phonétique et son auto- et hétérosurveillance par les locuteurs – le cas de la vélarisation du /r/ en espagnol portoricain. Dissertation. München, LMU München.

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Jakobson, Roman (1962). Kindersprache, Aphasie und die allgemeinen Lautgesetze. Frankfurt am Main, Suhrkamp.

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Lindau, Mona (1985). ?The story of /r/”. In: Victoria A. Fromkin, ed., Phonetic Linguistics. London, Academic Press: 157-168.

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Pustka, Elissa (2012). ?Le caméléon dans la jungle sonore: variations du r en Guadeloupe”. In: André Thibault, ed., Le fran?ais dans les Antilles: études linguistiques. Paris, L’Harmattan, 271-311.

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Sánchez-Miret, Fernando (2012). ?La història de /-r/ en català: perspectiva romànica”. In: Joan Veny / José Enrique Gargallo Gil, edd., La lingüística romànica al segle XXI. Barcelona, Institut d'Estudis Catalans: 27-60.

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Trubetzkoy, Nikolaus (1989) [1939]. Grundzüge der Phonologie. G?ttingen, Vandenhoeck & Ruprecht.

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Van de Velde, Hans / van Hout, Roeland, edd. (2001). 'r-atics'. Sociolinguistic, phonetic and phonological characteristics of /r/. Bruxelles, ILVP/ULB.

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Wiese, Richard (2003). ?The Unity and variation of (German) /r/”. Zeitschrift für Dialektologie und Linguistik 70: 25-42.

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Wiese, Richard (2011). ?The Representation of Rhotics”. In: Marc van Oostendorp et al., edd., The Blackwell Companion to Phonology. Malden/Oxford, Blackwell: vol. 1, 711-729.

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Kontakt: elissa.pustka@univie.ac.at, eva-maria.remberger@univie.ac.at

Sektionsbeitr?ge

Sektionsprogramm

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Sektionsbeschreibung

Die Wirtschaftskrise im Jahr 2008, der Umgang mit Geflüchteten seit dem Jahr 2015, der fortschreitende Klimawandel sowie die sich aktuell ausbreitende Corona-Pandemie und deren soziale, politische wie wirtschaftliche Konsequenzen fordern die Gemeinschaft innerhalb der Europ?ischen Union immer wieder aufs Neue heraus. Dabei wird deutlich, dass durch Europa eine unsichtbare Grenze verl?uft, die die Mittelmeerregion von ihren n?rdlicheren Nachbarn trennt: So wurden Europas Mittelmeerstaaten nicht nur besonders hart von der Wirtschaftskrise getroffen, sie sind bis heute – in Ermangelung einer gesamteurop?ischen L?sung – der Hauptschauplatz der dort ankommenden Flüchtenden geblieben. Darüber hinaus ist die Region besonders stark vom Klimawandel betroffen, da die Temperaturen dort im Vergleich zum n?rdlicheren Teil Europas schneller ansteigen. Auch die Corona-Pandemie wütet insbesondere im romanischsprachigen Teil des Mittelmeerraums. Daneben tritt in der europ?ischen Krisenbew?ltigung immer wieder das Spannungsfeld zwischen regionalen, nationalen und gesamteurop?ischen L?sungsans?tzen zu Tage.

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Im Zentrum der Sektion steht die Frage, wie in der Romania Europa und seine aktuellen Krisen sprachlich verhandelt werden. Gerade im Licht der beschriebenen ‘unsichtbaren Grenze’ kommt der Romanistik, die traditionell eine vergleichende Au?enperspektive einnimmt, eine wichtige Aufgabe zu. Umso erstaunlicher ist es, dass die Anzahl romanistischer Forschungsprojekte zum Themenkomplex eher überschaubar ist: So finden sich neben Publikationen zur politischen Sprache in Frankreich (Visser 2005; Issel-Dombert/Wieders-Lohéac 2018;? Str?bel 2018), zur Bildung von Stereotypen (Sánchez Prieto 2019; 2020) und zur Sprache des Populismus (Issel-Dombert/Wieders- Lohéac 2019; Str?bel, in Vorb.) vereinzelt auch Ver?ffentlichungen zur sog. ‘Flüchtlingskrise’ (Gruber 2018) und zur Corona-Pandemie (Hesselbach, in Vorb.).
Obwohl die ?kolinguistik seit den 1970er Jahren als Disziplin etabliert ist, lassen sich aktuelle Arbeiten zum Thema v.a. in der Germanistik finden (Caviola/Kl?y/Weiss 2018; Grassinger 2018). Darüber hinaus sind Untersuchungen zur politischen Sprache und ihren Konzeptualisierungen besonders aus dem angloamerikanischen Raum bekannt (vgl. Lakoff 2014; Lakoff/Wehling 2012; Wehling 2016).

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Die Sektion soll dazu dienen, das Potential romanistisch und interdisziplin?r ausgerichteter Forschungen im Bereich der Korpus-, Medien- und Diskurslinguistik auszuleuchten und damit einen Beitrag zur politisch-gesellschaftlichen Debatte über die Idee eines vereinten Europas zu liefern. In diesem Zusammenhang k?nnen sich Vortragsvorschl?ge konkret beziehen auf:

  • sprachliche Muster, Argumentationsstrukturen und semantisches bzw. politisches Framing (Wehling 2018) im politischen Diskurs in und über Europa ?
  • medienspezifische Diskursformen in den sozialen Netzwerken, Talkshows, Print- und Online-Medien (z.B. Ph?nomene des Hate Speech) etc. ?
  • Bedeutung der romanischen Minderheiten und Regionen im politischen Diskurs (im Vergleich zu politischen Staaten) ?
  • Bedeutung der politischen Sprache im Spannungsfeld von Nationalismus und europ?ischer Einigkeit ?
  • Verantwortung der Linguistik im gesellschaftlich-politischen Diskurs (vgl. George Lakoff, der als Wissenschaftler zur politischen Sprache forscht, im Gegensatz zum politisch aktiven Wissenschaftler Noam Chomsky) ?
  • Wir begrü?en Beitr?ge zu allen genannten Aspekten und freuen uns auf eine international wie interdisziplin?r ausgerichtete Sektion.

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Auswahlbibliographie

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Caviola, Hugo/Kl?y, Andreas/Weiss, Hans (2018). Sprachkompass Landschaft und Umwelt – Wie Sprache unseren Umgang mit der Natur pr?gt. Bern: Haupt Verlag.

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Grassinger, Ulrike (2018). Metaphern im Diskurs um den Klimawandel: Wie Sprache den Zugriff auf Kontrolle verspricht. Flensburg: Zentrale Hochschulbibliothek Flensburg.

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Gruber, Theresa (2018). ?Metaphorische Konzeptualisierungen der ?Flüchtlingskrise‘ in der spanischen, italienischen und deutschen Medienberichterstattung“. In: Kohlrausch, Laura/Schoe?, Marie/ Zejnelovic, Marko (eds.). KRISE. Mediale, sprachliche und literarische Horizonte eines viel zitierten Begriffs. Würzburg: K?nigshausen & Neumann (= Language Talks 5), 59–85.

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Hesselbach, Robert (in Vorb.): ??Nous sommes en guerre sanitaire contre le COVID-19? – a corpus-based approach of official French, Italian and Spanish social media discourse in the light of the coronavirus crisis“.

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Issel-Dombert, Sandra/Wieders-Lohéac, Aline (eds.) (2018). Wahlkampf ist Wortkampf – Pr?sidentschafts-wahlkampagnen aus sprachwissenschaftlicher Sicht. Frankfurt a.M.: Peter Lang.

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Issel-Dombert, Sandra/Wieders-Lohéac, Aline (eds.) (2019). Die Krise als Krieg: Weltanschauungs- und Wortkampf populistischer Bewegungen in Krisenzeiten.
München: AVM.

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Lakoff, George (2014). The All New Don't Think of an Elephant!: Know Your Values and Frame the Debate. White River Junction/London: Chelsea Green Publishing.

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Lakoff, George/Wehling, Elisabeth (2012). The Little Blue Book – The Essential Guide to Thinking and Talking Democratic. New York: Free Press.

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Sánchez Prieto, Raúl (2019). ?Percepción sobre Espa?a en prensa y redes sociales alemanas. Un estudio piloto“. In: Romanische Forschungen 131/4, 443–468.

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Sánchez Prieto, Raúl (2020). ?The Image of Spain in the Eyes of Austrian, Flemish, French, Italian, Polish and Bulgarian Facebook Users. Text-linguistic Opinion- Mining for detecting and analysing National Stereotypes“. In: Barkhoff, Jürgen/Leerssen, Joep (eds.). National stereotyping, identity politics, identity Crisis. Amsterdam: Brill, 155–172.

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Str?bel, Liane (2018). ?Can Macromania be explained linguistically? Beneath the morphological boundary: A sketch of subconscious manipulation strategies in Emmanuel Macron’s political discourses“. In: Yearbook of the German Cognitive Linguistics Association 5/1, 65–84.

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Str?bel, Liane (in Vorb.). ?Matteo Salvini“. In: Deringer, Ludwig/Str?bel, Liane (eds.). Populism.

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Visser, Judith (2005). Markierte sprachliche Zeichen. Wortbildung als Mittel der Persuasion in Texten der franz?sischen extrême droite. Frankfurt a.M.: Peter Lang.

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Wehling, Elisabeth (2016). Politisches Framing: Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht. K?ln: Herbert von Halem Verlag.

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Kontakt: patricia.decrignis@romanistik.uni-muenchen.de, robert.hesselbach@fau.de

Sektionsprogramm und Beitr?ge

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Sektionsbeschreibung

Die europ?ische Romania ist durch das Spannungsfeld zwischen Globalisierung und Regionalisierung gepr?gt. Einerseits gehen mit fortschreitender Globalisierung neue Migrationsbewegungen einher, die Sprach- und Kulturtransfers nach sich ziehen und dadurch neue Kontaktvariet?ten entstehen lassen. Andererseits erstarken in der Romania Regionalisierungstendenzen, die u.a. in der Lombardei, auf Korsika, in Flandern und in Katalonien Sprachkonflikte f?rdern.
Eine relativ rezente M?glichkeit, sprachliche Diversit?t, Sprachkontakte und -konflikte zu visualisieren und empirisch offenzulegen, liefert die Linguistic Landscape-Forschung (LL). Sie besch?ftigt sich mit der Analyse von (fotographischen) Dokumentationen multimodaler Zeichen im ?ffentlichen Raum (Backhaus 2007; Landry/Bourhis 1997).
Aktuelle Arbeiten gehen über anf?nglich quantitative Analysen der Zeichen hinaus und nehmen methodisch qualitative Erweiterungen vor, indem sie z.B. ProduzentInnen oder RezipientInnen in die Analyse miteinbeziehen. Dies erm?glicht ein besseres Verst?ndnis der hinter den Zeichen liegenden Motive, Ideologien und Einstellungen (Cenoz/Gorter 2019; Gorter et al. 2019).

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In der romanischen Sprachwissenschaft haben sich zahlreiche Studien der LL bedient (z.B. Blackwood/Tufi 2015; Castillo Lluch/Kailuweit/Pusch 2019; Moser 2020), um die Sichtbarkeit von Regional- und Minderheitensprachen, diatopischen Variet?ten und Migrantensprachen sowie die damit verbundene Sprachpolitik der Staaten und Regionen, Sprachkonflikte oder Prozesse der Identit?tsaushandlung zu analysieren. Die romanistische LL-Forschung liefert damit einen wichtigen Beitrag zu diskurs-, ethno-, sozio-, kontakt- und migrationslinguistischen Fragestellungen sowie zur Mehrsprachigkeitsforschung.

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Dennoch sind gerade in der Erforschung von LL der Romania noch entscheidende Fragen unbeantwortet, die auch die Themen Regionalisierung und Globalisierung in Europa tangieren. W?hrend Regionalsprachen des ?fteren im ?ffentlichen Raum der Romania untersucht worden sind, werden in romanistischen Arbeiten dialektale Diversit?ten selten analysiert (Pons 2012). Dabei stellen sich Fragen hinsichtlich der Indexikalit?t von Zeichen bis hin zu Aspekten des Enregisterments (Agha 2005). Nur sporadisch wird in romanistischen Arbeiten das Potential der Digital Humanities ausgesch?pft (Krefeld 2018). Dies schl?gt sich v.a. in methodisch-technischen Neuerungen nieder, die zumeist au?erhalb der romanischen Arbeiten entwickelt und genutzt werden, z.B. interaktives Mapping durch digitale Technologien (languagelandscape.org, LinguaSnapp, Lingscape), die auch für Analysen der Beschilderung des ?ffentlichen Raums in der Romania ein hilfreiches Werkzeug darstellen. Ein weiteres Desiderat – nicht nur in der Romanistik –? ist die Frage nach Methoden- und Datenkombination z.B. mit ethnologisch erhobenen Feldforschungsdaten. Partizipativer Einbezug von AkteurInnen und perzeptive Analysen finden in romanistischen Arbeiten bis dato noch selten statt (Harjus 2019); ebenso werden in der Romanistik noch zu selten konstruktivistische Ans?tze der urban linguistics (Warnke/Busse 2014), also (urbane) raumkonstruierende Aspekte durch Beschilderungen erforscht (Peter 2020). Die Sektion setzt sich deshalb zum Ziel, das Forschungsfeld der LL auf breiter theoretischer, methodischer und empirischer Basis unter Einbezug aller romanischen Sprachen weiter auszubauen. Erwünscht sind diachrone und synchrone Beitr?ge, ebenso wie komparative Perspektiven, die die multimodale Sicht auf Mehrsprachigkeit insbesondere in Europa, aber auch in der Romania nova von ?innen“ und ?au?en“ konturieren und u.a. folgende Themen fokussieren k?nnen:

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  • Sprachkonflikte im ?ffentlichen Raum
  • (Migrationsbedingter) Sprachkontakt und Mehrsprachigkeit im ?ffentlichen Raum
  • Multimodale Strategien bei der Aushandlung von Identit?t(en)
  • Spracheinstellungen und -ideologien
  • Indexikalit?t von ausgestellten Zeichen, Enregisterment durch determinierte sprachliche Merkmale und damit konstruktivistische Ans?tze der urban linguistics
  • Methodische Erweiterung der LL-Forschung durch Einbezug von AkteuerInnen
  • Methodische Erweiterung der LL-Forschung durch interaktiv-digitale Darstellung der Analyseergebnisse im WorldWideWeb
  • Aus interdisziplin?rer Perspektive: (Digitale) Integration von LL in die Fremdsprachdidaktik romanischer Sprachen

Auswahlbibliographie

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Agha, Asif (2005): ?Voice, Footing, Enregisterment“, in: Journal of Linguistic Anthropology 15, 38–59.

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Backhaus, Peter (2007): Linguistic Landscapes. A Comparative Study of Urban Multilingualism in Tokyo. Clevedon [u.a.]: Multilingual Matters.

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Blackwood, Robert / Tufi, Stefania (eds.) (2015): The Linguistic Landscape of the Mediterranean French and Italian Coastal Cities. Houndmills: Palgrave.

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Castillo Lluch, Mónica / Kailuweit, Rolf / Pusch, Claus (eds.) (2019): Linguistic Landscape Studies. The French Connection. Freiburg i.Br. [u.a.]: Rombach.

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Cenoz, Jasone / Gorter, Durk (2019): ?Multilingualism, Translanguaging, and Minority Languages in SLA“, in: The Modern Language Journal 103, 130-135.

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Gorter, Durk/Marten, Heiko/Van Mensel, Luk (2019): ?Linguistic Landscape and Minority Languages”, in: Hogan-Brun, Gabrielle / O’Rourke, Bernadette (eds.): The Palgrave Handbook of Minority Languages and Communities. London: Palgrave MacMillan, 481-506.

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Harjus, Jannis (2019): ?Graphische Approximationen an phonetisch-phonologische Elemente des in Andalusien gesprochenen Spanisch in den linguistic landscapes der Provinz Cádiz”, in: Calderón-Tichy, Marietta / Konzett-Firth, Carmen (eds.), Dynamische Approximationen: Festschrift für Eva Lavric. Berlin/New York u.a.: Peter Lang, 391-411.

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Krefeld, Thomas (2018): ?VerbaAlpina – oder: der Transfer der Geolinguistik in die digital humanities”, in: VerbaAlpina-de 18/1.

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Landry, Rodrigue / Richard Y. Bourhis (1997): ?Linguistic landscape and ethnolinguistic vitality: An empirical study“, in: Journal of Language and Social Psychology 16/1, 23–49.

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Moser, Philippe (2020): ?Linguistic Landscape“ als Spiegelbild von Sprachpolitik und Sprachdemografie?: Untersuchungen zu Freiburg, Murten, Biel, Aosta, Luxemburg und Aarau. Tübingen: Narr.

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Peter, Benjamin (2020): L'andalú - Sprache, Dialekt oder lokale Mundart? Zur diskursiven Konstruktion des Andalusischen. Berlin: De Gruyter.

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Pons Rodríguez, Lola (2012): El paisaje lingüístico de Sevilla. Lenguas y variedades en el escenario urbano hispalense. Sevilla: Diputación.

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Warnke, Ingo / Busse, Beatrix (eds.) (2014): Place-Making in urbanen Diskursen. Boston/Berlin: De Gruyter.

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languagelandscape.org

linguasnapp.manchester.ac.uk

lingscape.uni.lu


Kontakt: eibensteiner@phil.uni-mannheim.de, Jannis.Harjus@uibk.ac.at

Sektionsbeitr?ge

Sektionsprogramm

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Beschreibung

Kontakte zwischen Sprachen und Variet?ten sind im vielsprachigen Europa allgegenw?rtig. Die modernen Gesellschaften des 21. Jahrhunderts lassen sich als vielschichtige, mobile und digital vernetzte Sprachgemeinschaften charakterisieren, deren Sprecher*innen ein gro?es kommunikatives Repertoire von lokaler bis globaler Reichweite zur Verfügung steht. Für die romanischen Sprachen schlie?t dies Kontakte zu regionalen Sprachen und Variet?ten, Kontakte innerhalb der Familie der romanischen Sprachen sowie globale Kontaktph?nomene wie den Einfluss des Englischen ein.
Unterschiedliche Szenarien des Sprachkontakts haben ebenso für die gesamte romanische Sprachgeschichte eine bedeutende Rolle gespielt (vgl. Gabriel, Pe?ková & Selig 2020). Hierbei werden für vielf?ltige Wandelprozesse auf den verschiedenen Ebenen der Sprachen Kontakteinflüsse angenommen. Diese umfassen z.B. auch den Rückgriff auf Einheiten griechischen und lateinischen Ursprungs als wichtige Quelle des Ausbaus von internationalen Fachterminologien. Im globalen Austausch entstehen so neue Ann?herungen, die differenziert zu erfassen sind. Bei der Untersuchung von Sprecherverhalten in konkreten Kontaktsituationen erscheint es ferner interessant, nach übereinzelsprachlich gültigen Prinzipien und Prozessen, Kategorien sowie Beschr?nkungen (z.B. hinsichtlich der Sprachenwahl, Code-Switching/-Mixing und der Verwendung entlehnter Einheiten) zu fragen und die sprachstrukturelle, kognitive oder pragmatisch-interaktionale Natur der entsprechenden Ph?nomene auszuloten.
Die Sprachkontaktforschung blickt auf eine lange Tradition zurück (für neuere ?berblicksdarstellungen vgl. u.a. Thomason 2001, Matras 2009, Hickey 2010, Darquennes, Salmons & Vandenbussche 2019). Klassische Fragen betreffen unter anderem das Verh?ltnis von ?internen“ und ?externen“ Faktoren des kontaktinduzierten Sprachwandels sowie das Verh?ltnis von kontaktinduziertem und innersprachlichem Wandel insgesamt (vgl. Palacios 2017). Gleichzeitig wird mit unterschiedlichen Forschungsans?tzen auf die Inter- bzw. Multidisziplinarit?t der Kontaktlinguistik verwiesen (vgl. Zenner, Backus & Winter-Froemel 2018, Winford 2020). Dies schlie?t Modellierungen der Kognitiven Semantik, Generativen Linguistik und Optimalit?tstheorie wie auch soziolinguistische und psycholinguistische, kontrastiv- sprachstrukturelle und typologische Ans?tze ein (z.B. Haspelmath & Tadmor 2009).
Ebenso werden weitere theoretische Dimensionen von Sprachkontaktph?nomenen erschlossen und pragmatische (vgl. Onysko & Winter-Froemel 2011, Andersen 2014), soziolinguistische und interaktionale Aspekte (vgl. Zenner & Kristiansen 2014) berücksichtigt. Im Blickfeld der neueren Forschung steht auch die graphische Repr?sentation von Sprachkontakten in Linguistic Landscapes, und Sprachkontaktszenarien in der Geschichte der romanischen Sprachen werden ausgehend von aktuellen Ans?tzen neu beleuchtet. Gleichzeitig werden vermehrt neue methodische Zug?nge fruchtbar gemacht, etwa korpuslinguistische, psycholinguistische und computerlinguistische Verfahren (vgl. z.B. Cartier et al. 2018).
Ziel der Sektion ist es, im Rahmen einer Zusammenführung verschiedener Ans?tze und Methoden neue theoretische Perspektiven der Sprachkontaktforschung zu erschlie?en.
Dabei sind synchron und diachron orientierte Beitr?ge zu Sprachkontaktph?nomenen auf unterschiedlichen Beschreibungsebenen der Linguistik willkommen. M?gliche Untersuchungsfragen betreffen beispielsweise:

  • die Auswirkungen kognitiver Prinzipien und Prozesse in Sprachkontaktsituationen,
  • die Auswirkungen der kontextuellen und kommunikativen Rahmenbedingungen auf sprachliches Handeln in Kontaktsituationen bzw. allgemein die pragmatische Dimension von Sprachkontaktph?nomenen,
  • die Auswirkungen des Grads an ?hnlichkeit bestimmter sprachstruktureller Merkmale für kontaktinduziertes Sprachverhalten und kontaktinduzierten Wandel bzw. dessen Ausbleiben,
  • übergreifende Prinzipien des Sprachkontakts und die historische Bedingtheit von Sprachkontaktph?nomenen,
  • das Zusammenwirken struktureller und semantisch-pragmatischer Faktoren im Sprachkontakt.

Analysen romanischer (und ggf. anderer) Sprachdaten im Licht dieser Perspektiven sollen kritisch reflektiert und die Tragf?higkeit der verschiedenen Ans?tze für die Modellierung von Sprachkontaktph?nomenen in der Romania überprüft werden. Die Vortragsvorschl?ge sollten daher klar angeben, welche Kontaktsituationen und - ph?nomene untersucht werden und welchen theoretischen Ausrichtungen ihre Analyse folgt. Durch den Austausch sollen neue Einsichten in unterschiedliche Arten und Asymmetrien von Sprachkontaktph?nomenen sowie zum Zusammenspiel von Sprachkontakt und Sprachwandel gewonnen werden.

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Auswahlbibliographie

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Andersen, Gisle. 2014. Pragmatic Borrowing. Journal of Pragmatics 67. 17–33.

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Cartier, Emmanuel et al. 2018. Détection automatique, description linguistique et suivi des néologismes en corpus : point d'étape sur les tendances du fran?ais contemporain. SHS Web Conf. 46. 6e Congrès Mondial de Linguistique Fran?aise. https://doi.org/10.1051/shsconf/20184608002.

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Darquennes, Jeroen & Salmons, Joseph C. & Vandenbussche, Wim (eds.). 2019. Language contact: an international handbook (HSK 45).? Berlin: Mouton De Gruyter.

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Haspelmath, Martin & Tadmor, Uri (eds.). 2009. World Loanword Database. Leipzig: Max Planck Institute for Evolutionary Anthropology. http://wold.clld.org, accessed on 2020-05-21.

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Hickey, Raymond. 2010. The Handbook of Language Contact. Chichester: Wiley- Blackwell.

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Gabriel, Christoph & Pe?ková, Andrea & Selig, Maria (eds.). 2020. Contact, variation and change in Romance and beyond. Studies in honor of Trudel Meisenburg. Berlin: Erich Schmidt Verlag.

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Matras, Yaron. 2009. Language Contact. Cambridge: Cambridge University Press.

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Palacios, Azucena (coord.). 2017. Variación y cambio lingüístico en situaciones de contacto. Madrid: Iberoamericana.

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Thomason, Sarah Grey. 2001. Language Contact. Edinburgh: Edinburgh University Press.

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Winford, Donald. 2020. Theories of Language Contact. In Grant, Anthony (ed.), The Oxford Handbook of Language Contact, Ch. 2. New York: Oxford University Press.

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Zenner, Eline & Backus, Ad & Winter-Froemel, Esme (eds.). 2018. Cognitive Contact Linguistics. Berlin: Mouton De Gruyter.

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Zenner, Eline & Kristiansen, Gitte (eds.). 2014. New perspectives on lexical borrowing (Language Contact and Bilingualism 7). Berlin: Mouton de Gruyter.

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Kontakt: sandra.ellena@uni-wuerzburg.de, esme.winter-froemel@uni-wuerzburg.de, stefanie.goldschmitt@uni-wuerzburg.de

Programm und Abstracts

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Hinsichtlich der (interlingualen) Textproduktion rückt sp?testens mit der Skopos- Theorie und anderen handlungstheoretischen Ans?tzen die Zielrezipientenschaft in den Fokus der Sprach- und Translationsforschung. Die Vielfalt übersetzerischer Herangehensweisen an denselben Ausgangstext und, daraus hervorgehend, die Vielfalt der entstehenden ?bersetzungen lassen sich in dieser Hinsicht aus der Pluralit?t m?glicher Rezipientengruppen ableiten.? Eine – wenn auch sehr heterogene – Zielgruppe stellen Laien dar, für die anspruchsvolle Inhalte intralingual, interlingual und interse- miotisch neu aufbereitet werden. Anhand dieser von Jakobson (1959) gepr?gten Trias lie?e sich jeder Wissenstransfer als ?U?bersetzung‘ charakterisieren, da er aus der Verwendung neuer sprachlicher bzw. anderer kommunikativer Mittel resultiert. Man k?nnte ihn auch, einer prinzipiellen Unterscheidung von Schreiber (1993) folgend, je nach Varianzgrad in das Kontinuum zwischen ?bersetzung und Bearbeitung verorten.
Solche Texttransferprozesse, die die Verst?ndlichkeit bei einer breiten Laienrezipientenschaft bezwecken und nicht auf einer fundierten Expertise (Bromme/Jucks 2014) aufbauen, weisen spezifische Merkmale auf (Van Vaerenbergh 2010) und umfassen verschiedene Operationen, die in der Fachkommunikations- und Translationsforschung als Optimierung, Vereinfachung, polysemiotische/multimodale Gestaltung etc. bekannt sind. Diese Prozesse laufen sowohl innerhalb einer Sprachgemeinschaft als auch über Sprachgrenzen hinweg ab.

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In der gegenw?rtigen vernetzten Welt ergreifen aber immer wieder auch die Laien selbst in eigenverantwortlicher und selbstbewusster Weise das Wort. Nicht zuletzt deswegen gilt das World Wide Web u.a. als Infrastruktur für die demokratischsten Kommunikationsformen. Wenn Wissens- und Sprachtransfer auch jenseits von akademisch angeeigneter Expertise betrieben werden, birgt dies zum einen Gefahren der Trivialisierung bzw. der Wiedergabe sowie Zirkulation von fehlerhaftem Wissen, f?rdert aber auch kreative und unkonventionelle, sich abseits von wissenschaftlichen Mainstream-Theorien befindende L?sungen zutage. Dies gilt sowohl für Vermittlung von Wissen über Sprache und Sprachtransfer wie auch über jeden anderen Gegenstand im Medium der (Fremd-)Sprache.

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Das Ziel der Sektionsarbeit besteht u. a. darin, in bewusster Anlehnung an die und Fortführung der Theoreme der Laienlinguistik den Stellenwert von Laienurteilen in der translatorischen und translatologischen Praxis zu erforschen. Dieser Zielsetzung liegt die Erfahrung zugrunde, dass sich das ?Laieninteresse an Sprache und Kommunika- tion“ (Antos 1996: 5) nicht nur monolingual manifestiert, sondern auch bei zwei- und mehrsprachigen Personen eine Fortsetzung im bi- sowie multilingualen Bereich erf?hrt und damit einer Reflexion auf der Ebene von Sprachkontrastierung und Sprachtransfer Tür und Tor ?ffnet. Die Laienlinguistik ist damit nicht nur eine für und oft auch von Laien betriebene ?Sprach- und Kommunikationslehre zur L?sung muttersprachlicher Probleme“ (Antos 1996: 13), sondern auch solcher Zweifelsf?lle, die sich beim Fremd- sprachenerwerb und Sprachtransfer einstellen. So vermag es die Translationswissenschaft nicht nur, existierende Untersuchungen zur ?Laienkommunikation“ (Busch 1994) fortzuführen, sondern auch um neue Perspektiven zu erg?nzen. Dies tut sie, indem sie genuin sprachkontrastive und sprachübergreifende Korpora erschlie?t, welche die metasprachliche Reflexion auf eine neue Stufe heben.

M?gliche Anwendungsfelder und Fragestellungen sind: ?

  • Linguistische/semiotische Theorie: In welchem Ma?e k?nnen Formen des Wissenstransfers für Laien als Translation angesehen werden? Welche Operationen führen zu laiengerechter Kommunikation? Wie sehen konkret Optimierungs- und Vereinfachungsprozesse aus? Inwiefern kann die U?bersetzung in ?Einfache‘ bzw. ?Leichte Sprache‘ als eine Form der Translation von/für Laien betrachtet werden? Sichert der Einsatz anderer als sprachlicher Mittel bzw. eine Kombination aus Verbalia und Nonverbalia Verst?ndlichkeit? Wie kann ein common ground im Sinne Clarks (1996) bei Kommunikations- partnern mit gro?en Wissensdivergenzen aussehen? ?
  • Translationstheorie: Die seit Ende der 1950er Jahre betriebene Translationstheorie ist eine relativ junge akademische Disziplin. ?bersetzungs- theorien gibt es aber seit der Antike. Sind diese allesamt als Laientheorien zu bezeichnen? Wann gilt eine zwei- oder mehrsprachige Person als Sprachtransfer-Experte? Wie sind also translatorische Expertise und translatorisches Laientum zu definieren? ?
  • Translationspraxis: In welchen F?llen finden die oben genannten Vereinfachungs- und Optimierungsprozesse über Sprachgrenzen hinweg statt? Mit welchen Zielen übersetzen oder dolmetschen Laien? Welche Gefahren oder Potenziale bestehen bei der Laientranslation? Welche Bedingungen herrschen etwa beim Community Interpreting oder den verschiedenen Formen der Laienübersetzung im Film (Fansubs und Fandubs) vor? Inwiefern sind Laien- translationen von metareflexiven Paratexten und Einschüben begleitet, die zu- mindest in rudiment?rer Weise die Leitlinien der eigenen translatorischen Arbeit festhalten? ?
  • Gesellschaftliche Relevanz: Inwiefern leistet der auf Laien zugeschnittene Wissenstransfer einen Beitrag zu Inklusion, Partizipation, Empowerment und Demokratisierung der Wissensvermittlung?

Diesen und weiteren Fragen auf den Grund zu gehen ist Ziel der Sektionsarbeit. Interessierte sind herzlich dazu eingeladen, einen Beitragsvorschlag in deutscher oder einer romanischen Sprache einzureichen.


Auswahlbibliographie


Antos, Gerd (1996): Laien-Linguistik. Studien zu Sprach und Kommunikationsproblemen im Alltag. Am Beispiel von Sprachratgebern und Kommunikationstrainings. Tübingen: Niemeyer.

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Bredel, Ursula / Maass, Christiane (2016): Leichte Sprache: Theoretische Grundlagen. Orientierung für die Praxis (Deutsch). Berlin: Duden.

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Bromme, Rainer / Jucks, Regina (2014): ?Fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker: Die Psychologie der Experten-Laien- Kommunikation“. In Blanz, Mathias / Florack, Arnd / Piontkowski, Ursula [Hrsg.]: Kommunikation. Eine interdisziplin?re Einführung. Stuttgart: Kohlhammer. S. 237–246.

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Busch, Albert (1994): Laienkommunikation. Vertikalit?tsuntersuchungen zu medizinischen Experten-Laien-Kommunikationen. Frankfurt a. M.: Peter Lang.

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Clark, Herbert H. (1996): Using language. Cambridge: Cambridge University Press.

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Furnham, A. F. (1988): Lay Theories. Everyday understanding of problems in the social sciences. Oxford: Pergamon Press.

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Jakobson, Roman (1959): ?On Linguistic Aspects of Translation“. In: ders. (1971): Word and Language. The Hague: Mouton. S. 260–266.

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Schreiber, Michael (1993): ?bersetzung und Bearbeitung. Zur Differenzierung und Abgrenzung des ?bersetzungsbegriffs. Tübingen: Narr.

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Vaerenbergh, Leona van (2010): ?Writing and Translation in Expert–Non-expert Com- munication. Methods, Guidelines and Quality Assessment”. In: Synaps 24, S. 13–24.

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Kontakt: marco.agnetta@uibk.ac.at

Sektionsbeitr?ge und -programm

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Sektionsbeschreibung

Das theoretische Paradigma der Konstruktionsgrammatik erfreut sich in den letzten Jahren bekanntlich auch in der romanischen Sprachwissenschaft wachsender Beliebtheit (vgl. z.B. die Sammelb?nde in Vorbereitung: D?hla/Hennemann, Gévaudan/Hennemann, Hennecke/Wiesinger). Dies überrascht kaum, denn der genuin funktionalistische Ansatz, den s?mtliche konstruktionsgrammatischen Modelle verfolgen, ist mit der europ?ischen Theoriebildung sowohl des an der Sprachgeschichte interessierten 19. als auch mit dem Strukturalismus des 20. Jahrhunderts in hohem Ma?e kompatibel (vgl. Tacke 2020; im Druck). Durch die Erweiterung des Saussure’schen Zeichenbegriffs bietet die Konstruktionsgrammatik ein theoretisch überzeugendes Instrument und einen kognitiv plausiblen Ansatz zur Beschreibung sprachlicher Einheiten, die von der morphologischen über die Wort- bis zur syntaktischen Ebene und darüber hinaus reichen k?nnen. W?hrend der Fokus dabei zun?chst auf Randph?nomenen wie Phraseologismen (z.B. let alone bei Fillmore/Kay/O’Connor 1988), sodann vor allem auf der Grammatik im engeren Sinn lag, l?sst sich zuletzt ein wachsendes Interesse an der Beschreibung und theoretischen Erfassung sprachlicher Muster beobachten, die potentiell weit über die Satzebene hinausgreifen. So integriert Croft (2001: Kap. 9) die Analyse ?komplexer Figur-Grund-Satzschemata‘ im Sinne konventionalisierter Konstruktionsmuster mit definierbaren Form- und Funktionseigenschaften, w?hrend ?stman (2005) – im Anschluss an Fillmores auf die Interpretation von Texten angewendeten Framebegriff (1982) – dafür pl?diert, den (konstruktionsgrammatischen) Begriff der Grammatik auf ?discourse patterns“ bzw. ?discourse-level constructions“ zu erweitern. ?stman (2005: 121, 130) zufolge handele es sich dabei um ?conventionalizations of specific linguistic properties, which places them on an equal footing with the conventionalized patterns known as ?grammar‘“. Auch Langackers einflussreiche Cognitive Grammar reiht sich hier ein, insofern in deren Synthese im Kapitel ?Frontiers“ ein Ausblick auf die Analyse der ?numerous kinds of genres of discourse, both spoken and written“ (2008: 477) geboten wird, die als konventionalisierte Muster ebenso verfestigt sein k?nnen (entrenchment), wie Ausdrücke niedrigerer levels of organization. Weitere Arbeiten, die in diese Richtung gehen, sind in den letzten Jahren noch hinzugekommen (vgl. u.a. Bucker/Gunthner/Imo Hg. 2015, Hoffmann/Bergs 2018).

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Ziel der Sektion soll es sein, sich aus romanistischer Perspektive mit dieser noch jungen Theorieentwicklung auseinanderzusetzen und diese mit konkurrierenden Paradigmen zu kontrastieren. Leitfragen betreffen die Leistungen und Grenzen konstruktionsgrammatischer Analysen sprachlicher Einheiten, welche die Grenzen des traditionellen Begriffs von Grammatik transzendieren. Hierunter fallen neben komplexen S?tzen und informationsstrukturell markierten Satzmustern insbesondere auch Textsorten und Gattungen, deren Betrachtung unter dem Begriff der Text- bzw. Diskurstraditionen in der Romanistik und darüber hinaus im Rahmen der Textlinguistik gut etabliert ist (vgl. Winter-Froemel et al. Hg. 2015). Anknüpfungspunkte bieten sich zudem hinsichtlich der Rolle der Kognition bei der Produktion und Rezeption textueller Muster (vgl. Meier 2020). Des Weiteren bietet sich auch die Betrachtung jedweder Form ?wiederholter Rede‘ an, insofern diese, z.B. als Formeln, zu den Bausteinen komplexerer Diskurskonfigurationen gez?hlt werden k?nnen. So kann die Gattung ?M?rchen‘ als Diskurstradition und zugleich als teilschematisierte Konstruktion aufgefasst werden (vgl. Coseriu 31994: 188f.; Fillmore 1982: 117; Wilhelm 2001: 469; ?stman 2005: 131; Langacker 2008: 117). Schlie?lich w?re auch die Kontrastierung der kognitiven Theoriebildung mit diskurslinguistischen Ans?tzen denkbar (vgl. Lebsanft/Schrott Hg. 2015). In diesem Sinne versteht sich die Sektion als Diskussionsforum und l?dt dazu ein, sich vor dem Hintergrund bew?hrter (romanistischer) Ans?tze mit der konstruktionsgrammatischen Theoriebildung und der Frage nach Leistungen und Grenzen, gerade auch mit Blick auf die empirische Operationalisierung der Modelle, auseinanderzusetzen.

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Auswahlbibliographie

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Bucker, Jorg/Gunthner, Susanne/Imo, Wolfgang (Hg.): Konstruktionsgrammatik V. Konstruktionen im Spannungsfeld von sequenziellen Mustern, kommunikativen Gattungen und Textsorten, Tübingen.

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Coseriu, Eugenio ([1980] 31994): Textlinguistik. Eine Einführung, Tübingen.

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Croft, William (2001): Radical Construction Grammar: Syntactic Theory in Typological Perspective, Oxford.

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D?hla, Hans-J?rg/Hennemann, Anja (Hg.) (in Vorb.): Konstruktionsgrammatische Zug?nge zu romanischen Sprachen, Berlin.

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Fillmore, Charles J. 1982. ?Frame Semantics“. In: The Linguistic Society of Korea (Ed.), Linguistics in the Morning Calm. Seoul, 111-137.

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Fillmore, Charles J./Kay, Paul/O’Connor, Mary Catherine (1988): ?Regularity and Idiomaticity in Grammatical Constructions: The Case of Let Alone“, Language 64, 501-538.

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Gévaudan, Paul/Hennemann, Anja (Hg.) (in Vorb.): Chancen und Grenzen der Konstruktionsgrammatik, Tübingen.

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Hennecke, Inga/Wiesinger, Evelyn (Hg.) (in Vorb.): Constructions in Spanish, Amsterdam/Philadelphia.

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Hoffmann, Thomas/Bergs, Alexander (2018): ?A Construction Grammar Approach to Genre“, CogniTextes 18, 1-27.

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Langacker, Ronald W. (2008): Cognitive Grammar. A Basic Introduction, Oxford.

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Meier, Kerstin (2020): Semantische und diskurstraditionelle Komplexit?t. Linguistische Interpretationen zur franz?sischen Kurzprosa, Berlin/Boston.

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?stman, Jan-Ola (2005): ?Construction discourse: a prolegomenon“, in: ?stman, Jan-Ola/Fried, Mirjam (Hg.): Construction Grammars. Cognitive Grounding and Theoretical Extensions, Amsterdam, 121–144.

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Tacke, Felix (2020): ?Linguistic Norm in Cognitive Linguistics“, in: Lebsanft, Franz/Tacke, Felix (Hg.): Manual of Standardization in the Romance Languages, Berlin/Boston, 183-208.

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Tacke, Felix (im Druck): ?Notizen zu einer historisch-vergleichenden kognitiven Grammatik“, in: Becker, Lidia et al. (Hg.): Fachbewusstsein der Romanistik. Romanistisches Kolloquium XXXII, Tübingen.

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Wilhelm, Raymund (2001): ?Diskurstraditionen“, in: HSK 20.1, 467-477.

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Winter-Froemel, Esme/López Serena, Araceli/Octavio de Toledo y Huerta, ?lvaro/Frank-Job, Barbara (Hg.) (2015): Diskurstraditionelles und Einzelsprachliches im Sprachwandel/Tradicionalidad discursiva e idiomaticidad en los procesos de cambio lingüístico, Tübingen.

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Kontakt: henneman@uni-potsdam.de, felix.tacke@uni-bonn.de

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Sektionen Kulturwissenschaft

Abstracts Beitr?ge

Sektionsprogramm

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Beschreibung

Gemeinsame Werte und ?berzeugungen, aber auch eine gemeinsame Memorialkultur sind als Bindeglied der Europ?ischen Idee bisher eingehend beschrieben worden (vgl. den Boer u.a. 2012 in Anschluss an die Thesen von Pierre Nora / Nora 1998). Europa bzw. die Identifikation mit Europa leidet aber gerade unter der ausbleibenden Auseinandersetzung hinsichtlich einer gemeinsamen Popul?rkultur. Bereits auff?llig wurde dies durch das Ende des Ost-West-Konflikts und der Integration Osteuropas in die Europ?ische Union, insofern als auch die US-Kultur an Bindungskraft deutlich verloren hat (Linke/Tanner 2006) und sich Gemeinsamkeiten oftmals st?rker auf binationaler Ebene finden (zu Deutschland-Frankreich siehe Hüser/Pfeil 2015 bzw. Umlauf u.a. 2013, zu Italien-Polen siehe Henzelmann/Mayer/Olcese 2020, zu Frankreich-Bulgarien Mayer/ Henzelmann 2018). Hinzu kommt, dass die Wahrnehmung einer gemeinsamen europ?ischen Popul?rkultur sich zwar offensichtlich einer weiten Spanne bedient, es bei genauer Betrachtung aber augenscheinlich wird, dass zunehmend nur die Pole dieses Kontinuums bedient werden. Diese reichen von einem Europa, dass sich als globale Gemeinschaft inszeniert (wie es die Ausrichtung des 1961 entstanden ?Gastarbeiterprogramms“ des WDR hin zum ?Funkhaus Europa“ und seit 2016 nun als globaler Sender ?COSMO“ zeigt), bis hin zu den kontr?r stehenden Isolierungsbewegun- gen, die gegen den Trend einer gemeinsamen Popul?rkultur arbeiten und Popul?rmusik aus ihrem globalen und europ?ischen Kontext entrücken, um sie zur Identifikationsfigur nationalistischer und patriotischer Programmatik zu erheben (wie z.B. der Rapper Chris Ares, der die Diskurstradition des in den sp?ten 1980er Jahren in Frankreich entstehenden Message- bzw. Propheten-Rap –? vgl. Lapassade 1990 – in verzerrte Beziehungszusammenh?nge setzt).

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Die Sektion m?chte zum einen auf popul?rmusikalische Bindefaktoren blicken, die von der Idee der Eurovision (vgl. Vuletic 2018), zu F?rderprogrammen wie Music Moves Europe, Jugendbewegungen wie der Existentialismus, bis hin zur einer europ?ischen Akademiekultur in der Auseinandersetzung mit Popul?rmusik (z.B. das neu entstandene European Hiphop Studies Network) reichen. Zum anderen gilt es eine Bestandsaufnahme der Gegenwart vorzunehmen und in die Zukunft zu blicken, d.h. politische Ideen (Vertrag von Aachen, Macrons Initiativen) auf eine popul?rkulturelle Verankerung hin zu befragen. Dabei f?llt der Blick auf spezifische Rezeptions- und Produktionsph?nomene in Europa, d.h. auf Spektakel wie der Eurovision Song Contest, genauso aber auch auf Identifikationsangebote der Romania (das franz?sische Chanson, die italienische Canzone und das spanische Partylied), die Popul?rmusik zur geteilten Identit?t des Internationalen Studierendenaustauschs erheben. Verschiedene lokalspezifische Realit?ten haben sich in der Romania als europ?ische Metropolen der Popul?rmusik etabliert und stehen einerseits im Zeichen der gegenw?rtigen Superdiversity, gelten andererseits aber auch als Dreh- und Angelpunkt lokaler und regionaler Authentizit?tsfragen: Ibiza als Hochburg der House-Musik (und der gepr?gten Stilrichtung Balearic Beat), Marseille als europ?isches Rap-Mekka, das zeitgleich gesprochene Variet?ten des Provenzalischen wiederbelebt (Spanu 2015) sowie die in der Provinz Lecce repopularisierte Kultur des Tarantismo und der Pizzica durch die La Notte della Taranta.

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Der Romania ist in der Bestimmung einer europ?ischen Popul?rkultur eine pr?gende Rolle zuzuweisen, die aus transdisziplin?rer Sicht er?rtert werden soll. Konzepte wie Diskurs (z.B. Inklusions- und Exklusionsfaktoren der sprachlichen Positionierung nach Englebretson 2007), Performance (im Spannungsfeld zwischen Petras 2011 und Gruber 2017), ?sthetik und Transgression (Kimminich 2007) sind dabei in der Vernetzung kulturwissenschaftlicher, linguistischer, ethnographischer, aber auch philosophischer und anthropologischer sowie Sichtweisen aus den Kommunikations- und Kognitionswissenschaften zu diskutieren, um die romanischen Ingredienzien einer gemeinsamen europ?ischen Popul?rkultur herauszuarbeiten.

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Auswahlbibliographie

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Den Boer, Pim / Duchhardt, Heinz / Kreis, Georg / Schmale, Wolfgang: Europ?ische Erinnerungsorte 1-3, München 2012.

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Englebretson, Robert (Hg.): Stancetaking in Discourse. Subjectivity, Evaluation, Interaction, Amsterdam 2007.

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Gruber, Johannes: Performative Lyrik und lyrische Performance. Profilbildung im deutschen Rap, Bielefeld 2017.

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Henzelmann, Martin / Mayer, Christoph Oliver / Olcese, Gianluca (Hg.): Italien-Polen. Kulturtransfer im europ?ischen Kontext, erscheint Berlin 2020.

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Hüser, Dieter / Pfeil, Ulrich (Hg.): Popul?rkultur und deutsch-franz?sische Mittler. Akteure, Medien, Ausdrucksformen, Bielefeld 2015.

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Kimminich, Eva/Rappe, Michael/Geuen, Heinz/Pf?nder, Stefan (Hg.): Express yourself!.Europas kulturelle Kreativit?t zwischen Markt und Underground, Bielefeld 2007.

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Lapassade, Georges/Rousselot, Philippe: Le rap ou la fureur de dire. Essai, Paris 1990.

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Linke, Angelika/Tanner, Jakob (Hg.): Attraktion und Abwehr. Die Amerikanisierung der Alltagskultur in Europa, K?ln 2006.

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Lipsitz, George: Dangerous Crossroads. Popular Music, Postmodernism and the Poetics of Place. London 1997.

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Mayer, Christoph Oliver / Henzelmann, Martin (Hg.): Frankreich-Bulgarien. Innereurop?ischer Kulturtransfer, Hamburg 2018.

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Nora, Pierre: Zwischen Geschichte und Ged?chtnis, Frankfurt a.M. 1998.

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Petras, Ole: Wie Popmusik bedeutet. Eine synchrone Beschreibung popmusikalischer Zeichenverwendung, Bielefeld 2011.

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Spanu, Michael: ?Alternative Globalization in Southern France: Minority Language as a Creative Tool in Occitan Popular Music“. In: Helms, Dietrich / Phleps, Thomas (Hg.): Speaking in Tongues. Pop lokal global, Bielefeld 2015, 45-61.

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Umlauf, Joachim / Colin, Nicole / Defrance, Corinne / Pfeil, Ulrich (Hg.): Lexikon der deutsch-franz?sischen Kulturbeziehungen nach 1945, Tübingen 2013.

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Vuletic, Dean: Postwar Europe and the Eurovision Song Contest, London/New York 2018.

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Kontakt: christoph.mayer@tu-dresden.de, paula.schreiber@unitn.it

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Sektionsprogramm

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Sektionsbeschreibung

Geschichten der Migration sind Geschichten in und über Bewegung. Sie durchmessen kulturhistorische R?ume, die von sozialen Auf- und Abstiegen, soziokulturellen Ein- und Ausgrenzungen und Prozessen der Trans- und Hyperkulturation erz?hlen. Sie übersetzen diese Ph?nomene in multimediale Bildwelten und beschreiben und beschreiten so Achsen, welche nicht nur kultursemantische Pole verbinden, sondern sich überlagern, raum-zeitlich beeinflussen und generieren. Die Sektion perspektiviert die bestehende Forschung über die Wechselwirkungen derartiger migratorischer Prozesse noch einmal anders, indem sie zwei Dimensionen der Migration in Zusammenhang stellt, die die Verdichtung solcher ?Narrative‘ als Geflecht relationaler Denkfiguren und - strategien sichtbar machen: Achsen und Spektren.

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Achsen erm?glichen es, Narrationen der Migration in ihren Aus-Richtungen oder vektoriellen Dynamiken (Ette) zu beschreiben. Durch das Wandeln (im doppelten Sinne) der Menschen bringen Achsen erstens Orte in einen Zusammenhang und gehen zweitens über reine Binde-Funktionen zwischen Orten oder Subjektpositionen hinaus, indem sie selbstreflexiv das durch migratorische Bewegungen verursachte Entstehen von R?umen markieren. Drittens verschiebt Migration Achsen ebenso wie sie immer auch Grenzen überschreitet und deplatziert; sie dehnt spatiale wie temporale Kategorien, verengt oder bricht sie zuweilen sogar derart auf, dass sich ihre Geschichten von au?ertextlichen Referenzen zu l?sen scheinen. Achsen k?nnen Bewegungen aus kultursemantischer wie -semiotischer Sicht (Lotman) bestimmen. Sie er?ffnen R?ume für Narrationen zwischen Generationen, in denen Migrationserfahrungen tradiert und durchaus auch sublimiert gespeichert werden. In den Erz?hlungen überlagern sich horizontale Achsen zu einem komplexen Muster, so dass in einer vertikalen Perspektive historische Abdrücke im Raum, spatiale Konnotationen von Zeiterleben und damit auch spezifische Chronotopoi (Bachtin, Foucault) entstehen. Zudem überlappen sich Raumachsen mit Farbsemantiken, Affektsemantiken mit Migrationsbewegungen, Blickachsen mit Erinnerungserz?hlungen.
Formal-?sthetisch bringt diese achsen-bezogene Komplexit?t etwa Multimodalit?t und - perspektivik hervor, eine intermittierende Fokalisierung oder hybride Formen von (Hyper-)Texten und Genres, die in klassischen wie ?neuen Medien‘ anders lesbar werden.

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Spektren wiederum legen durch ihre Doppeldeutigkeit als Skalen und bildhafte Gespenster einen Schwerpunkt auf vertikale Verschr?nkungen von Geschichte(n), Genealogien und Affekten. Spektren (spectres) akzentuieren Phantasmen, die das Subjekt nicht loslassen, die in und mit ihm getragen werden (Mbembe, Fanon). Sie sind Geister der Hoffnung, Verzweiflung, Nostalgie, Rache oder Angst, die als sublimierte und/oder kulturell kodierte Kulturtechniken von Geschichtserz?hlungen auftauchen.
Damit legen sie eine raumerzeugende, quer zu National- und Familiengeschichten stehende und nicht zuletzt narrative Wirkmacht offen (vgl. Hall/du Gay). Diese Geister sind revenants, Wiederkehrende, die (koloniale) Vergangenheit und (postkoloniale) Gegenwart koppeln. Die spektralen Verknüpfungen sind dabei in der Innenperspektive von und Au?enperspektive auf Migrant_innen einerseits postkolonial-migratorische Figuren des Verdr?ngten, Un-heimlichen, Traumatischen, wie Bauman dies in Angst vor den anderen (2016) zeigt. Andererseits weisen sie neben der kollektiven Vergangenheit zugleich in die Zukunft (Mbembe). Die Sektion exploriert die Potenziale und Grenzen der Perspektivierung von Achsen und (im doppelten Sinne) Spektren für eine Analyse der komplexen Migrationsnarrationen in franko-, hispano- und italophonen Literaturen und Medien gerade des 21. Jahrhunderts.

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Das Ph?nomen der Achsen und Spektren in Migrationsnarrationen zeigt sich in neueren (literarischen) Texten ?postkolonialer Literaturen‘ franko-, italo- und hispanophoner Provenienz. Beispielhaft hierfür sind Le livre d’Emma (2001) von Marie-Célie Agnant und die über zerreibendes 拉斯维加斯赌城n motivierten Romane Boualem Sansals (Harraga, 2005 oder Le village de l’Allemand, 2008), das Delirieren in Gegenwart und Vergangenheit des Verre-cassé (Alain Mabanckou 2005) wie auch das von Spektren der Vergangenheit durchdrungene H?tel du Bon Plaisir Rapha?l Confiants (2009). Ausgerechnet an einem Ort der Immobilit?t, n?mlich einer Gef?ngniszelle, tauchen die Geister der Ahnen in Wilfried N’Sondés Le c?ur des enfants léopards (2007) auf und suchen die Geister der Familienmigration den Protagonisten von Jean-Paul Dubois‘ Tous les hommes n‘habitent pas le monde de la même fa?on (2019) heim. Diese intergenerationellen spectres stehen auch hinter dem undurchsichtigen, unberechenbaren Protagonisten in Tristan Garcias Faber (2013). In Francesca Melandris Bestseller Sangue giusto (2017) erscheint der postkoloniale Migrant wie ein Geist auf der Türschwelle Italiens oder im Zentrum Roms in Igiaba Scegos Adua (2015); oder aber er ist der stumme Schelm in Andrea Camilleris Il Nipote del Negus (2010). Des Weiteren verhandelt eine Reihe neuerer spanischer Filme im Zuge der Auseinandersetzung mit Migrationsph?nomenen zwischen Europa, subsaharischen Regionen und dem Maghreb spektrale Dimensionen im Aufeinanderprallen von Figuren, Kulturen, (traumatischen) Geschichten oder kartographischen Verzerrungen, wodurch Filme wie Retorno a Hansala (Gutiérrez 2008) oder 14 kilómetros (Olivares 2007) Verschiebungen in Raumkonstellationen erzeugen; im Falle von 14 Kilómetros geschieht dies über farbsemantische Neukodierungen, die geopolitisch-hegemoniale Muster zum Vorschein und ins Wanken bringen.

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In der Sektion werden diskursive Verfahren und Techniken von Migrationserz?hlungen untersucht, die unter dem Aspekt der von ihnen entworfenen Achsen und spektralen Ambiguit?ten St?rpotentiale offenlegen, die eine Grammatik des Ungleichgewichts schaffen (Deleuze) und so neue Arten von Erz?hlung(en) kreieren.
Die Sektionssprachen sind Deutsch, Franz?sisch, Italienisch und Spanisch.

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Auswahlbibliographie

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Agnant, Marie-Célie (2001). Le livre d’Emma. La Roque D’Anthéron: Vents d’ailleurs.

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Bachtin, Michail M. (2008). Chronotopos. Berlin: Suhrkamp.

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Bauman, Zygmunt (2016). Die Angst vor den anderen. Ein Essay über Migration und Panikmache. Frankfurt a.M.: Suhrkamp.

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Camilleri, Andrea (2010). Il nipote del Negus. Palermo: Sellerio.

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Confiant, Rapha?l (2009). L’H?tel du Bon Plaisir. Paris: Mercure de France.

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Deleuze, Gilles (1993). Critique et clinique. Paris: Minuit.

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Derrida, Jacques (1993). Spectres de Marx. Paris: Galilée.

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Dubois, Jean-Paul (2019). Tous les hommes n’habitent pas le monde de la même fa?on. Paris: ?ditions de l’Olivier.

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Dzubian, Zusanna (ed.) (2019). The ?Spectral Turn“: Jewish Ghosts in the Post-Holocaust Imaginaire. Bielefeld: transcript.

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Ette, Ottmar (2004). ?berLebensWissen. Die Aufgabe der Philologie. Berlin: Kadmos.

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Fanon, Frantz (1952). Peau noire, masques blancs. Paris: Seuil.

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Foucault, Michel (2008). Le gouvernement de soi et des autres: cours au Collège de France. Paris: Gallimard.

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Foucault, Michel (2009). Le courage de la vérité. Paris: Gallimard.

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Garcia, Tristan (2013). Faber: le destructeur. Paris: Gallimard.

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Gutiérrez, Chus (2008). Retorno a Hansala. Film. Muac Films, Maestranza Films.

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Hall, Stuart/Du Gay, Paul (ed.) (1996). Questions of Cultural Identity. London: Sage.

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Lotman, Jurij M. (2017). Die Innenwelt des Denkens. Eine semiotische Theorie der Kultur. Berlin: Suhrkamp.

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Mabanckou, Alain (2005). Verre-cassé. Paris: Seuil.

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Mbembe, Achille (1999). De la postcolonie. Essai sur l’imagination politique dans l’Afrique contemporaine. Paris: Karthala.

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Mbembe, Achille (1989). ?Le spectre et l’état: des dimensions politiques de l’imaginaire historique dans le Cameroun postcolonial“, in: Revue de la Bibliothèque Nationale, 44: 2-13.

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N’Sondé, Wilfried (2007). Le c?ur des enfants léopards. Arles: Actes Sud.

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Melandri, Francesca (2017). Sangue giusto. Mailand: Rizzoli.

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Olivares, Gerardo (2007). 14 kilómetros. Film. Explora Films.

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Rinelli, Lorenzo (2016). African Migrants and Europe: Managing the Ultimate Frontier. London/New York: Routledge.

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Sansal, Boualem (2005). Harraga. Paris: Gallimard.

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Sansal, Boualem (2008). Le village de l’Allemand ou Le journal des frères Schiller. Paris: Gallimard.

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Scego, Igiaba (2015). Adua. Florenz: Giunti.

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Kontakt: schuchardt@uni-muenster.de, kstruve@romsem.uni-kiel.de

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Sektionsbeitr?ge

Sektionsprogramm

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Beschreibung

Als Gründungsmythos Europas setzte sich die Franz?sische Revolution für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit sowie die Erkl?rung der Menschen- und Bürgerrechte ein, in einem aufkl?rerischen Sinne weltlich ausgerichtet, gegen die Religion (cf. Gehrke, Geschichtsbilder und Gründungsmythen, 2001; I?ler/Lohse/Scherer, Europ?ische Gründungsmythen im Dialog der Literaturen, 2019). Bereits in der Romantik nahm das Christentum in personalisierten Formen und durch die wiederentdeckte Sch?nheit seiner Künste erneut eine Schlüsselstellung ein (cf. Ernst/Geyer (Hg.), Die Romantik: ein Gründungsmythos der Europ?ischen Moderne, 2010). In der Gegenwart stellen für die meisten Europ?er*innen Menschenrechte, Frieden, Respekt vor menschlichem Leben und Demokratie, unabh?ngig von religi?ser Zugeh?rigkeit, die wichtigsten Werte dar.
Und doch l?sst sich im s?kularisierten Europa ein intensives und auch konflikttr?chtiges Interesse an der Religion feststellen: insbesondere seit der Konfrontation des ?christlichen Abendlandes“ mit Migrationsbewegungen aus dem Globalen Süden, mit islamistischem Terror und der damit verbundenen Angst vor Radikalisierung.
Die Religionszugeh?rigkeit ist heutzutage in den romanischen L?ndern unterschiedlich gewichtet: W?hrend Frankreich als laizistische Wiege Europas par excellence weniger Christen als die H?lfte seiner Bev?lkerung verzeichnet, so ist das Christentum in Italien, Spanien und Portugal deutlich vorrangig vertreten. Gerade diese südlichen R?nder Europas dienen meist als erste Anlaufstelle in den neueren Fluchtbewegungen über das Mittelmeer. Au?erhalb Europas ist das Christentum haupts?chlich in ehemaligen Kolonien europ?ischer M?chte vorzufinden und ist somit auch Teil der gewaltbeladenen ?Europa-Ideologie“, die die Europ?er als ?Herrenrasse“ auftreten und ?andere Menschen und Kulturen herab[…]setzen“ lie? (Assmann, Der europ?ische Traum, 2018, 8). Das Christentum selbst ist nach wie vor von inneren Spaltungen gezeichnet, die mit der Reformation einsetzten und 1555 mit dem Augsburger Religionsfrieden einen vorl?ufigen, auf Toleranz zielenden Abschluss fanden; innerchristliche Konflikte spielten jedoch immer wieder tragende Rollen, so bspw. im Drei?igj?hrigen Krieg, der als europ?ischer Krieg gilt.

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Vor diesem Hintergrund stellt sich im Hinblick auf in der Gegenwart dringend geforderte europ?ische Identit?tskonstruktionen die Frage, welches erkenntnisstiftende Potential der Auseinandersetzung mit Religion/en den Literaturen und kulturellen Ausdrucksformen der Romania zuzuschreiben ist: Welche M?glichkeiten der Verwurzelung und Vernetzung bringen religi?se Themen, Motive, Narrative und Archetypen für die pluralen Gesellschaften des heutigen Europas vor und welche Problematiken eben dieser Gesellschaften zeigen sie auf, vor allem auch im Hinblick auf den Umgang mit anderen Religionen und Glaubensformen? Aufgrund der postkolonialen Neustrukturierung der Romania ist für diese Auseinandersetzung sowohl der Blick von innen als auch derjenige von au?en auf Europa gegeben und verspricht diversifizierte Perspektivierungen.

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Entgegen politischen Verh?rtungen und Diskriminierungen, die unter Berufung auf den vermeintlichen Schutz des ?christlichen Abendlandes“ im Dienste nationalistischer Interessen stehen, bezieht die romanische kulturelle Produktion auch in diachroner Perspektive, n?mlich seit ihren Anf?ngen im Sp?tmittelalter, das sich an den südlichen R?ndern der Romania bereits im produktiven Austausch mit der arabischen Welt befand, dezentrierte, differenzierte Diskurse ein. So wurden im Namen des Christentums nicht nur Kreuzzüge unternommen und muslimische Reiche bek?mpft, sondern die christlich gepr?gte Literatur brachte im Rückgriff auf den aus Nordafrika stammenden Heiligen Augustinus auch die Herausbildung des modernen Individuums hervor (Lee, Petrarch and St. Augustine: Classical Scholarship, Christian Theology and the Origins of the Renaissance in Italy, 2012). Den Kampf gegen die Sarazenen unter dem ?Glaubenskrieger“ Karl dem Gro?en nutzten die romanischen Literaturen in ihrer ganzen Breite, um auf subtile Weise transkulturelle Formationen zu propagieren (cf.
Rieger, Charlemagne und Jeanne la Pucelle. Zwei mittelalterliche Gründungsmythen im europ?ischen Kontext, 2011; Reichardt/Moll (Hg.), Italia transculturale. Il sincretismo italofono come modello eterotopico, 2019). Auch in der Gegenwart stellen sich vor dem Hintergrund der Migrationsbewegungen und Krisen insbesondere die Kulturschaffenden des südlichen Europas der Herausforderung, das kreative Potential neuer religi?s- kultureller Hybridisierungen zu pr?sentieren, wobei christliche Themen und Motive durch andere Religionen wie z.B. den Islam erg?nzt und kontrastiert werden oder durch auf die Antike zurückgehende heidnische Elemente sowie Kultformen ethnischer Minderheiten eine neue Authentizit?t erfahren. In der postkolonialen und in Migrationszusammenh?ngen entstehenden transkulturellen Literatur wird die in den Medien h?ufig mit Religionszugeh?rigkeiten assoziierte bin?re Zuordnung von eigen und fremd, wei? und schwarz, europ?isch und nicht-europ?isch problematisiert und ironisch dekonstruiert. Thematisiert wird in diesem Zusammenhang auch der Traum von Europa als ?gelobtem Land“, das sich in der Realit?t oft als Albtraum erweist. Im Ausblick auf eine friedliche und wertorientierte Zukunft stellen sich u.a. die Fragen, was Europa heilig ist, auf welche Weise ein laizistisches Europa mit Religion/en umgehen sollte und was die Auseinandersetzung mit Religion/en in den Literaturen und Künsten der Romania in diachroner Perspektive an identit?tsstiftendem Potential bereith?lt. Dabei muss vor allem auch eine Aufarbeitung der Gewalt unternommen werden, die Europas Geschichte in Bezug auf ein ausgrenzendes, kompetitives Religionsverst?ndnis kennzeichnet, denn letztlich erscheint eine erinnerungskulturell fundierte Verwirklichung des europ?ischen Traumes (Assmann) nur auf dieser Basis m?glich.

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Erwünscht sind, um dem transversalen und interdisziplin?ren Charakter der Sektion Rechnung zu tragen, Beitr?ge zur Auseinandersetzung mit Religion/en in den Literaturen und kulturellen Ausdrucksformen der Romania von ihren Anf?ngen bis in die Gegenwart. Ebenso k?nnen die mediale Berichterstattung, der politische Diskurs oder die Auseinandersetzung mit religi?s konnotierten Erinnerungsorten in den Blick genommen werden.


Kontakt: marina.hertrampf@ur.de, emeineke@mail.uni-mannheim.de

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Sektionsprogramm und Beitr?ge

Link zur Anmeldung: https://survey3.gwdg.de/index.php?r=survey/index&sid=552728&lang=en

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Beschreibung

Globalisierung gilt als eines der zentralen Schlagw?rter der letzten Jahrzehnte. Der Begriff bezeichnet die zunehmende überregionale Vernetzung verschiedener Akteure in unterschiedlichen Bereichen, die in den vergangenen Jahren zu einer nie dagewesenen Mobilit?t von Individuen, Objekten, aber auch Gedankengut geführt hat.


Besonders der zuletzt genannte Aspekt hat wesentlichen Einfluss auf die Schaffung sowie Vermittlung von Wissen und tangiert damit den Kern wissenschaftlicher Forschung. Dass wissenschaftliche Kommunikation seit jeher global orientiert funktioniert, ist vor allem für interdisziplin?re und international ausgerichtete F?cher wie die Romanistik kein neues Ph?nomen. In den letzten Jahren ist zu der Globalisierung allerdings ein weiterer Prozess hinzugetreten, der nicht nur der wissenschaftlichen Kommunikation, sondern auch im methodologischen Kern der Wissenschaft, eine neue Dynamik verliehen hat: die Digitalisierung.


Die damit einhergehenden Entwicklungen haben in den Geisteswissenschaften insbesondere die Digital Humanities hervorgebracht (Jannidis/Kohle/Rehbein 2017), betreffen aber letztlich alle Bereiche der Forschung:


? So erm?glichen digitale Daten neue Herangehensweisen, etwa mit digitalen Werkzeugen. Dementsprechend existiert mittlerweile ein breites Spektrum an digitalen Untersuchungsans?tzen, das den traditionellen Methodenkanon der verschiedenen F?cher erg?nzt (Sch?ch 2017; Vacano 2020).

? Digitale Werkzeuge bringen zudem oft Forschungsresultate in digitaler Form hervor, die als ?Forschungsdaten“ betrachtet werden k?nnen. Dies wirft einerseits die Frage auf, was unter (geistes)wissenschaftlichen Daten im Einzelnen zu verstehen ist (Sch?ch 2013). Andererseits stellt sich die Frage nach Anforderungen und Nachnutzungsszenarien von Forschungsdaten (AG Digitale Romanistik 2017; Erben/Grüter/Rohden 2018).

? Schlie?lich wird auch die Kommunikation von Forschungsprozessen und -erzeugnissen zunehmend digitaler. Dies beginnt bei kollaborativen Verfahren zur Gestaltung von Forschungsabl?ufen und mündet in neuartigen Publikationsformaten (DHd- Arbeitsgruppe Digitales Publizieren 2016)


Digitale Ans?tze restrukturieren den Wissenschaftsbetrieb und st?rken seinen globalen Charakter. Sie k?nnen ferner neue Synergien bilden, sowohl zwischen unterschiedlichen F?chern (transdisziplin?r), als auch innerhalb der Teildisziplinen eines Faches (intradisziplin?r). Für die Romanistik konnten Auswirkungen und Potential der Digitalisierung bereits für unterschiedliche Teildisziplinen aufgezeigt werden. In welcher Weise die Digitalisierung darüber hinaus ein Bindeglied für disziplinübergreifende Forschung romanistischer Pr?gung bilden kann, hat Thomas Krefeld anhand der Lexikographie herausgearbeitet und dabei zwei wesentliche Leitlinien skizziert: Zum einen gilt es, digitale Daten in strukturierter Form frei und dauerhaft zug?nglich zu machen. Zum anderen bedarf es dafür geeigneter technischer Schnittstellen, um den nachhaltigen Datenzugriff und -austausch sicherzustellen (Krefeld 2019).


Zur Umsetzung dieser Leitlinien eignen sich die sogenannten ?FAIR“-Prinzipien, die vier Anforderungen an digitale wissenschaftliche Daten definieren: Auffindbarkeit (Findable), Zug?nglichkeit (Accessible), Interoperabilit?t (Interoperable) und Wiederverwendbarkeit (Reusable) (Wilkinson/Dumontier/Aalbersberg et al. 2016; Kraft 2017). Dadurch bieten die FAIR- Prinzipien sowohl für die Romanistik als auch darüber hinaus eine fundierte Basis für digitale Forschung und Wissenschaftskommunikation (Krefeld/Lücke 2020).


Zur weiteren Etablierung einer transdisziplin?ren wissenschaftlichen Forschung romanistischer Pr?gung im digitalen Raum sind ausgehend von den FAIR-Prinzipien allerdings noch weitere Fragen zu er?rtern:


? Welche Anforderungen an digitale Daten und Werkzeuge stellt ein disziplinübergreifendes digitales Arbeiten in der Romanistik?

? Welche methodischen Ans?tze und Werkzeuge k?nnen die Potentiale eines transdisziplin?ren digitalen Arbeitens entfalten?

? Welche epistemologischen Folgen haben digitale Daten und Werkzeuge, beispielsweise im Hinblick auf das Konzept der Empirie oder die Verortung quantitativer Ans?tze?

? Welche Auswirkungen hat disziplinübergreifendes digitales Arbeiten auf das (Selbst)Verst?ndnis der Romanistik als Fach?


Die geplante Sektion zielt darauf ab, anknüpfend an die vier aufgeführten Fragen einen ersten Beitrag zur Etablierung einer digitalen transdisziplin?ren Romanistik zu leisten. Hierfür wird um die Einreichung von Beitr?gen mit unter anderem, aber nicht ausschlie?lich, folgenden Schwerpunkt(en) gebeten:

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? Theoretische Betrachtungen zu digitalen transdisziplin?ren romanistischen Forschungsans?tzen;

? Beitr?ge rund um das Thema Forschungsdaten mit Bezug zur Romanistik (etwa Korpora, digitale Editionen, Kataloge, linguistische Annotation, Textsammlungen, W?rterbücher);

? Beitr?ge zur Anwendung digitaler Ans?tze aus romanistischer Perspektive;

? Beitr?ge über frei nachnutzbare Formen digitaler wissenschaftlicher Kommunikation;

? Beitr?ge, die digitale Ressourcen mit Blick auf transdisziplin?re Fragestellungen untersuchen;
? Beitr?ge aus der digitalen Forschungspraxis, beispielsweise: Computational Literary Studies, digitale Bild-Text-Annotation, digitale Sprachlernforschung, Intertextualit?t, korpuslinguistische Untersuchungen, Stilometrie.

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Kontakt
? Jan Rohden: rohden@MaxWeberStiftung.de

? Nanette Ri?ler-Pipka: rissler-pipka@sub.uni-goettingen.de

? José Calvo Tello: calvotello@sub.uni-goettingen.de

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Literatur und Quellen
AG Digitale Romanistik (2017): Open Access und Forschungsdaten. Ein Positionspapier der AG
Digitale Romanistik. https://zenodo.org/record/3834227.


DHd-Arbeitsgruppe Digitales Publizieren (2016): Working Paper "Digitales Publizieren".
http://diglib.hab.de/ejournals/ed000008/startx.htm.


Erben, Maria/Grüter, Doris/Rohden, Jan (2018): Forschungsdatenmanagement in der Romanistik: Aktuelle Situation und zukünftige Perspektiven. Bonn: Fachinformationsdienst
Romanistik. http://hdl.handle.net/20.500.11811/1178.


Jannidis, Fotis/Kohle, Hubertus/Rehbein, Malte (Hg.) (2017): Digital Humanities: eine Einführung. Stuttgart: Metzler.


Kraft, Angelina (2017): Die FAIR Data Prinzipien für Forschungsdaten. In: TIB Blog.
https://blogs.tib.eu/wp/tib/2017/09/12/die-fair-data-prinzipien-fuer-forschungsdaten/.


Krefeld, Thomas: Eine neue (digitale) Einheit für ein altes (philologisches) Fach – DromH, Version 10 (04.01.2019, 10:19). In: Korpus im Text, Serie A (8564). http://www.kit.gwi.uni-
muenchen.de/?p=8564&v=10


Krefeld, Thomas/Lücke, Stephan (2020): FAIRness: ein contrat social für die Wissenschaftskommunikation im Internet. In: Romanistik-Blog. Das Blog des
Fachinformationsdienstes. https://blog.fid-romanistik.de/2020/05/16/fairness-ein-contrat- social-fuer-die-wissenschaftskommunikation-im-internet/.


Sch?ch, Christof (2013): Big? Smart? Clean? Messy? Data in the Humanities. In: Journal of the Digital Humanities 3, S. 2–13.


Sch?ch, Christof (2017): Quantitative Analyse. In: Jannidis, Fotis/Kohle, Hubertus/Rehbein, Malte (Hg.): Digital Humanities: eine Einführung. Stuttgart: Metzler. S. 279–298.


Vacano, Johannes von (2020): Tools. In: https://www.fid-romanistik.de/startseite/.
https://www.fid-romanistik.de/forschungsdaten/suche-nach-forschungsdaten/fid- internetressourcen/tools/.


Wilkinson, M./Dumontier, M./Aalbersberg et al. (2016): The FAIR Guiding Principles for scientific data management and stewardship. In: Sci Data 3.
https://doi.org/10.1038/sdata.2016.18.

Sektionsbeitr?ge

Sektionsprogramm

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Beschreibung

Migrations- und Fluchtbewegungen werden u.a. durch akute Bedrohungsszenarien wie Kriege oder Verfolgung, wirtschaftlichen Notstand oder auch durch erzwungene Exilierung eingeleitet, wobei dem K?rper zweifellos eine wichtige Funktion als Erfahrungsraum und Kommunikationsmedium zukommt. Die Sektion m?chte sich daher Grenzdiskursen und -r?umen sowie dem Dispositiv des migrierenden K?rpers aus einer literatur-, kultur- und medienwissenschaftlichen sowie intersektionalen Perspektive zuwenden, wobei die Frage nach den Modalit?ten von K?rperlichkeit im Zentrum unserer Auseinandersetzung stehen soll.


Die Misshandlung und Ausbeutung von K?rpern pr?gt die Geschichte der Seefahrer- und Handelsnationen der Romania, wobei die Aufarbeitung der im Zuge von Sklaverei und Kolonialismus begangenen Menschheitsverbrechen noch immer andauert und neue Formen der Aushandlung findet (s. Marcelo D’Saletes Graphic Novels Cumbe, 2014, und Angola Janga, 2017, sowie den Roman Le terroriste noir von Tierno Monénembo, 2012). Gegenw?rtige Migrationsbewegungen und -routen in der Romania sind derweil noch immer in hohem Ma?e durch die Kolonialgeschichte beeinflusst und vorgepr?gt. H?ufig sind Migrant*innen w?hrend des Wanderungsprozesses physischer Gewalt ausgesetzt. Insbesondere Frauenk?rper sind von sexuellen ?bergriffen bedroht oder werden als ?mulas“ für Drogentransporte missbraucht und hochgradig gef?hrdet (z.B. in Joshua Marstons Film Maria Full of Grace, 2004). Auf beschwerlichen und zum Teil lebensgef?hrlichen Migrationsrouten sind Menschen Naturgewalten schutzlos ausgeliefert (s. z.B. Javier de Isusis Graphic Novel Asylum, 2017).
Ebenso lassen sich auf psychischer Ebene Formen und Folgen der Versehrtheit des migrierenden und migrierten K?rpers ausmachen: Verlusterfahrungen, Adaptionsprozesse, Identit?tskonflikte, Erfahrungen von Diskriminierung und Rassismus führen bei Migrant*innen h?ufig zu Belastungen, die sich in psychosomatischen Symptomen artikulieren. (vgl. Machleidt/Ermann 2013: 54) Dabei hat die klinische Forschung in der Auspr?gung und subjektiven Wahrnehmung kulturspezifische Unterschiede festgestellt. So sind ?idioms of distress“ als kulturell markierte ?u?erungsformen für psychische Belastungen zu verstehen (vgl. ebd.: 71), die – oftmals auf metaphorischer Ebene – auf innere Befindlichkeiten Bezug nehmen. In literarischer Hinsicht wird dies z.B. thematisiert in Fawzia Zouaris Ce pays dont je meurs (1999).


Der Aspekt des ?Fremden“, z.B. in dem von den Nationalsozialisten bemühten Bild des ?Fremdk?rpers“, das in der Gegenwart von rechtspolitischen Bewegungen auf unterschiedliche Weise wieder aufgegriffen wird, um Migrant*innen oder Menschen mit migratorischer Familiengeschichte zu stigmatisieren und auszugrenzen, enth?lt derweil auch ein produktives Irritationspotenzial: Als Abweichung von der Norm, als etwas ?Anders-Artiges“ oder ?Merk-Würdiges“ wird der ?fremde K?rper“ in Literatur und Kunst auch zur Entgegnung xenophober und rassistischer, aber auch sexistischer und homo/transphober Diskurse eingesetzt, so z.B. in der Chicana/o-Literatur (Gloria Anzaldúa) und der Performance-Kunst (Guillermo Gómez-Pe?a).

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In lateinamerikanischen literarisch-künstlerischen und theoretischen Traditionen schlie?lich spielen die Begriffe der Transmigration und der Metamorphose eine wichtige Rolle, indem sie Bezug nehmen auf die Betonung des K?rpers sowie auf das Schwanken der Grenzen zwischen Menschsein und Animalit?t. Hybride Werke, neben La chute du ciel (Kopenawa/Albert, 2010) oder Anzaldúas Borderlands (1987) z.B. auch solche der Fotografin Claudia Andujar und der Choreografin Lia Rodrigues, k?nnen die Verbindung von Transmigration und Metamorphose mit Ans?tzen der Anthropozentrismus-Kritik, neuen anthropologischen Akzenten innerhalb der Literaturwissenschaft sowie den Animal Studies erm?glichen.

Um eine umfassende Behandlung des Zusammenhangs von K?rperlichkeit, Migration und Grenzerfahrung zu gew?hrleisten, ist eine transtemporale Perspektive und eine breite mediale Betrachtung vorgesehen, die literarische Texte, Theater/Performance, Filme, Fotografie, graphische Narrative, Musik, bildende Kunst und/oder die sozialen Medien der gesamten Romania einschlie?t.
Sprachen der Sektion sind Deutsch, Spanisch, Franz?sisch und Portugiesisch.

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M?gliche zu bearbeitende Themen:

  • K?rper, Grenze und Gender: Aufl?sung von Binarit?ten, Abweichung von (heteronormativen) Normen, LGBTIQ*-Migration; Mechanismen des Othering
  • Chicana/o literature und Performance-Kunst, border feminism; narcoliteratura; Latinx-Theater
  • Migration und k?rperliche Gewalt; besondere Gef?hrdung von Frauenk?rpern; Migration und Schwangerschaft
  • Migration und disability
  • Migration und Erinnerung/mémoire du corps; Migration als Kindheitstrauma
  • Krankheit und Kultur, kulturspezifische Krankheitssymptome und -konzepte
  • K?rpersprachen, psychosomatische Erkrankungen im Migrationszusammenhang; psychosoziale Folgen von Integration
  • R?ume des migrantischen K?rpers: Auffanglager, urbane Peripherien, Segregation
  • Theoretische K?rperkonzepte in der Romania; Transmigration und Metamorphose

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Auswahlbibliographie

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Andermann, Jens. 2011. ?Tesis sobre la metamorfosis“. Aletria, N°3, Vol. 21, 155-164.

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Anzaldúa, Gloria. 1987. Borderlands/La Frontera. The New Mestiza. San Francisco: Aunt Lute Books.

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Bauer, Matthias et al. 2019. Grenz-?berg?nge: Zur ?sthetischen Darstellung von Flucht und Exil in Literatur und Film. Bielefeld: transcript.

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Butler, Judith. 1993. Bodies that matter: on the discursive limits of ?sex“. New York [u.a.]: Routledge.

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Gutberlet, Marie-Hélène/Helff, Sissy (Hg.). 2011. Die Kunst der Migration. Aktuelle Positionen zum europ?isch-afrikanischen Diskurs. Material-Gestaltung-Kritik. Bielefeld: transcript.

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Klinkert, Thomas (Hg.). 2014. Migration et identité. Freiburg im Breisgau: Rombach.

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K?hler, Sigrid G. 2006. K?rper mit Gesicht. Rhetorische Performanz und postkoloniale Repr?sentation in der Literatur am Ende des 20. Jahrhunderts. K?ln: B?hlau.

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Machleidt, Wielant/Ermann, Michael. 2013. Migration, Kultur und psychische Gesundheit: dem Fremden begegnen. Stuttgart: Kohlhammer.

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Mertz-Baumgartner, Birgit. 2004. Ethik und ?sthetik der Migration. Algerische Autorinnen in Frankreich (1988-2003). Würzburg: K?nigshausen & Neumann.

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Moraga, Cherrie/Anzaldúa, Gloria (Hg.). 1981. This Bridge called my Back: Writings by Radical Women of Color. Watertown, Mass: Persephone Press.

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Oltmer, Jochen. 2012. Globale Migration. Geschichte und Gegenwart. München: Beck.

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Kontakt: berit.callsen@uni-osnabrueck.de, m.simoni@fu-berlin.de

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Sektionsprogramm und Beitr?ge

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Beschreibung

In seinen wegweisenden Arbeiten zur Respublica literaria begreift Marc Fumaroli die aus dem Wissensaustausch der intellektuellen Eliten im 16. Jahrhundert entstandene paneurop?ische Gelehrtengemeinschaft als ein vorpolitisches, modernes Europa. In der Tat geht die diesem intellektuellen Europa avant la lettre zugrundeliegende Geistesbewegung des Humanismus laut Nadeije Laneyrie-Dagen (1997) und Vigarello (2005) mit der Entdeckung des leiblichen K?rpers einher, der den allegorischen Stilisierungen des Mittelalters den Rang abl?uft. Die Zirkulation von Wissen über den menschlichen K?rper und seine idealtypische ?sthetische Beschaffenheit sind dabei wiederkehrende topoi in Kunst und Literatur der Renaissance. Angesichts der zunehmend an Bedeutung gewinnenden Body Studies verfolgt die Sektion das Ziel, ?globale’ und ?regionale’ K?rperbilder dieses geistigen Europas anhand m?glichst breit gestreuter Beispiele in den romanischen Künsten und Literaturen von Mittelalter bis Barock zu untersuchen.


Mit Baldassare Castigliones Il Cortegiano (1528) und Giovanni Della Casas Il Galateo (1558) verbreitet sich im 16. Jahrhundert ein aus Italien importiertes ethisches und ?sthetisches Ideal, das Künstler und Autoren der im Entstehen begriffenen Staaten trotz ihrer politischen und religi?sen Konflikte zu vereinen scheint. In der Literatur etabliert sich der Petrarkismus und die neoplatonische Doktrin weit über die franz?sische Dichtergruppe der Pléiade hinaus als europ?ische lingua franca. Wie John Shermann in seiner Monographie Mannerism. Style and Civilisation (1967) eindrucksvoll gezeigt hat, entwickelt sich in Folge des Sacco di Roma in der bildenden Kunst der Manierismus als ein in seiner Reichweite von Italien bis Prag mit der Gotik des Mittelalters vergleichbarer gesamteurop?ischer Stil.


Parallel zu dieser Herausbildung italienischer und sukzessive europ?ischer Sch?nheitsideale bringt die Renaissance jedoch sowohl auf ?nationaler’ als auf ?regionaler’ Ebene auch subversive Kanones hervor, welche gemeingültige Vorstellungen von ?sthetik durch die Hervorkehrung des H?sslichen diametral unterlaufen: was die
italienische und franz?sische Literatur der Renaissance anbelangt, denke man beispielsweise an die K?rpergroteske der karnevalesken Lachkultur, an die paradoxalen Apologien des H?sslichen sowie an die possenhafte poesia bernesca, welche fest etablierte petrarkistische Vorstellungen des Sch?nen satirisch untergraben. Dieses Ph?nomen besteht bis in die Kom?die des 17. Jahrhunderts fort, in der petrarkistische und neoplatonische Topoi zur Quelle der Komik degradiert werden (z.B. Molière, Lope de Vega).


Gewünscht sind Beitr?ge, die ausgehend von der Renaissance, ?globale’ und ?regionale’ Erscheinungsformen des menschlichen K?rpers untersuchen. Auch Brüche und Kontinuit?ten mit dem Mittelalter sowie Weiterentwicklungen ?sthetischer Normen bis ins 17. Jahrhundert sollen in unsere ?berlegungen miteinbezogen werden.
Dabei k?nnen sich die Vortr?ge sowohl auf Werke beziehen, deren Autor*innen geographisch weitreichende Dynamiken des Austauschs verk?rpern, welche beispielsweise in der internationalen Zirkulation von Buchmalereien und Texten, in der schriftlichen Korrespondenz, dem Reisebericht und dem ?sthetischen Traktat (sowie deren ?bersetzungen) sinnf?llig werden. Gleichzeitig soll auch den lokalen Gegenentwürfen zu diesen europ?ischen Dynamiken Rechnung getragen werden.
In einzelsprachlicher oder transromanisch vergleichender Perspektive mit der Option einer intermedialen ?ffnung auf die Kunstgeschichte sind folgende Leitfragen denkbar:

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  • Künstlerische und literarische Herausbildung k?rperlicher Sch?nheitsideale der Renaissance als Epoche ?sthetischer Normbildung und Kodifizierung;
  • Geschlechtsspezifische Vorstellungen und nationale Stereotype von Sch?nheit / H?sslichkeit;
  • Ph?nomene, die der Kanonbildung der Renaissance vorausgehen (Mittelalter) oder diese weiterführen (bis ins 17. Jahrhundert) sowie Hervorhebung von Brüchen und Kontinuit?ten sub specie pulchritudinis zwischen Mittelalter, Renaissance, Barock und Klassik;
  • Modalit?ten der Verbreitung dieser Kanones (Traktate etc.);
  • Medienspezifische Auspr?gungen und Voraussetzungen in der Entstehung von Sch?nheitsidealen sowie medienbedingte Abweichungen zwischen Bild und Text bzw. zwischen Theorie und künstlerischer Praxis;
  • Stellenwert des griechisch-r?mischen Erbes in der Festlegung ?sthetischer Normen auf europ?ischer Ebene;
  • Nationale, regionale und lokale Gegenentwürfe;
  • Stellenwert der Sprachwahl in der Anfechtung offiziell anerkannter ?sthetischer Normen (Latein, Griechisch, die jeweiligen romanischen Sprachen);
  • Blick auf den Anderen (den Andersgl?ubigen, den Fremden, die Frau aus m?nnlicher Perspektive…), rassistisches, fremdenfeindliches und misogynes Potential derartiger Stereotype;
  • Pluralisierung von Sch?nheitsidealen und paradoxe Aufwertung des H?sslichen (la belle laideur und die Entstehung einer ?sthetik des H?sslichen in der Frühen Neuzeit);
  • Einfluss anderer Disziplinen auf das ?sthetische Verst?ndnis des K?rpers (Medizin, Theologie, Recht);
  • Das Verh?ltnis okzidentaler Kanones zu Kulturr?umen, die an den geographischen R?ndern des romanischen Europas liegen (z.B. Rum?nien) und die dadurch unter dem Einfluss des orientalischen Christentums stehen;

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Auswahlbibliographie


Antunes, Gabriela/Reich, Bj?rn/ Stange, Carmen (Hrsg.), (De)formierte K?rper. Die Wahrnehmung und das Andere im Mittelalter, G?ttingen, Universit?tsverlag G?ttingen, 2012.

Assunto, Rosario, The Theorie des Sch?nen im Mittelalter, K?ln, DuMont, 1982.

Baker, Naomie, Plain Ugly : The Unattractive Body in Early Modern Culture, Manchester, Manchester University Press, 2012.

Bettella, Patrizia, The Ugly Woman. Transgressive Aesthetic Models in Italian Poetry from the Middle Ages to the Baroque, Toronto, University of Toronto Press, 2005.

Brancher, Dominique, ?quivoques de la pudeur. Fabrique d’une passion à la Renaissance, Genf, Droz, 2015.

Chiquet, Olivier, Penser la laideur dans l’art italien de la Renaissance. De la dysharmonie à la belle laideur, Rennes, Presses Universitaires de Rennes (erscheint 2021).

Corbin, Alain/ Courtines, Jean-Jacques/ Vigarello, George (Hrsg.), Histoire du corps. De la Renaissance aux Lumières, vol. 1, Paris, Le Seuil, 2005.

Gernert, Folke, Lecturas del cuerpo. Fisiognomía y literatura en la Espa?a áurea, Salamanca, Ediciones de la Universidad de Salamanca, 2018.

Gómez Sánchez-Ferrer, Guillermo/ Jacobi, Claudia, ‘Que todo lo feo es malo y bueno todo lo hermoso’ – Aproximaciones a la estética de lo feo en Lope de Vega, Berlin/ London, LIT, 2020 (im Druck).

Henningfeld, Ursula, Der ruinierte K?rper: petrarkistische Sonnette in transkultureller Perspektive, Würzburg, K?nigshausen & Neumann, 2008.

Hillman, D., et Mazzio, C., The Body in Parts : Fantasies of Corporeality in Early Modern Europe, New York, Routledge, 2010.

Laneyrie-Dagen, Nadeije, L’Invention du corps. La représentation de l’homme du Moyen- ?ge à la fin du XIXe siècle, Paris, Flammarion, 1997.

Leinkauf, Thomas, ? Der Begriff des Sch?nen im 15. und 16. Jahrhundert : Seine philosophische Bedeutung und Hinweise auf sein Verh?ltnis zur Theorie von Poesie und Kunst ?, in Renaissance-Poetik. Renaissance Poetics, Heinrich F. Plett (Hrsg.), de Gruyter, Berlin/New York, 1994.

Legrand, Marie-Dominique et Picciola, Liliane, Propos sur les muses et la laideur. Figurations et défigurations de la beauté (d’Homère aux écrivains des Lumières), Littérales, no 28, Centre des Sciences de la Littérature, Université Paris X-Nanterre, 2001.

Le laid et le beau au Moyen Age, Sénéfiance No 43, Aix-en-Provence, CUER MA Université de Provence (Centre d’Aix), 2000.

Lobsien, Verena Olejniczak / Claudia Olk (Hrsg.), Neuplatonismus und ?sthetik. Zur Transformations geschichte des Sch?nen, Berlin, De Gruyter, 2007.

Michel, Paul, ? Formosa deformitas ?. Bew?ltigungsformen des H?sslichen in mittelalterlicher Literatur, Bonn, Bouvier Verlag, 1976.

Monteil, Pierre, Beau et laid en latin. ?tude de vocabulaire, Paris, Klincksieck, p. 1964.

Ott, Christine, ?Fette K?rper in der Vormoderne. U?berlegungen zu einer literarischen Geschichte des Dickseins“, in: Archiv für das Studium der neueren Sprachen und Literaturen 256.2 (2019), S. 1-21.

Vigarello, Georges, Les canons de la beauté, Paris, Seuil, 2004.

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Kontakt: sofina.dembruk@phil.uni-goettingen.at, cjacobi@uni-bonn.de

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Sektionen Didaktik

Sektionsbeitr?ge

Sektionsprogramm

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Beschreibung

Die gesellschaftlichen und bildungspolitischen Entwicklungen in Deutschland werden seit Jahrzehnten verst?rkt durch die europ?ischen Institutionen (Europ?ische Union, Europarat) mitgepr?gt. Die Sprach- und Kulturpluralit?t, für die Europa steht, beschr?nkt sich heute nicht mehr darauf, dass Europa in seiner Gesamtheit durch seine Nationalstaaten mit einer oder mehreren spezifischen Nationalsprachen mehrsprachig ist, sondern sie ist durch zunehmende innereurop?ische Mobilit?t auch l?nderübergreifend in den einzelnen Staaten zu einer Realit?t geworden. Auch in Deutschland ist die Gesellschaft immer st?rker von Mehrsprachigkeit und Kulturpluralit?t gepr?gt. Die plurilingualen und -kulturellen Gesellschaften bieten für alle Europ?erinnen und Europ?er Chancen, mit ihnen sind jedoch auch multiple Herausforderungen verbunden. So f?llt es bestimmten Gruppen der Gesellschaften schwer, die Sprach- und Kulturpluralit?t zu akzeptieren. Das Erstarken extrem nationalistischer und undemokratischer Kr?fte in den Parteiensystemen und in den medialen Diskursen ist eine Folge davon. Die Sehnsucht nach einer vermeintlichen kulturellen Homogenit?t und das Bedienen von Sündenbock-Theorien führen vor allem in Krisenzeiten zu starken und für den inneren und ?u?eren Frieden gef?hrlichen gesellschaftlichen Polarisierungen. Die Thematisierung und Vermittlung von Toleranz, Offenheit und Akzeptanz sind wesentliche Grundwerte und stellen daher eine essentielle Aufgabe des Bildungs- und Schulsystems dar, die u. a. im Unterricht, gerade im Sprachunterricht und somit auch im Franz?sisch-, Italienisch- und Spanischunterricht, Beachtung finden müssen. In diesem Kontext müssen für die Ausgestaltung des Fremdsprachenunterrichts sowohl l?nderübergreifende als auch l?nderspezifische Ma?nahmen in Europa und in Deutschland getroffen werden. Für den Unterricht der romanischen Sprachen in Deutschland liegt eine Vielzahl bildungspolitischer Vorgaben auf Bundes- und L?nderebene vor, genannt seien hier die Bildungsstandards für die erste und zweite Fremdsprache, die Fachanforderungen und Kerncurricula sowie die Rahmenpl?ne der einzelnen Bundesl?nder. Die wahrscheinlich einflussreichste l?nderübergreifende Schrift für den Fremdsprachenunterricht ist der Gemeinsame Europ?ische Referenzrahmen für Sprachen (GeR), der 2021 seinen 20. Geburtstag feiert. Ein Fremdsprachenunterricht ohne die Niveaustufen und Kompetenzbereiche des GeR ist in Deutschland heute nicht mehr denkbar. Die 2001 vom Europarat herausgegebene Schrift und die Erg?nzungen hierzu haben sich grenzübergreifend verbreitet und eine Struktur geliefert, die den Fremdsprachenunterricht jenseits von Sprachen, Kulturen, Zielgruppen und Hintergrün- den vergleichbarer macht. Sowohl der GeR und dessen Erg?nzungen als auch die curricularen Vorgaben auf bundesdeutscher Ebene lassen jedoch Fragen offen und scheinen den Herausforderungen einer plurilingualen und -kulturellen Gesellschaft nur z. T. gewachsen zu sein. Welche Entwicklungen lassen sich in den letzten 20 Jahren aus der Perspektive eines fremdsprachenaffinen Europa auf europ?ischer und nationaler Ebene festmachen? Wie müssen der GeR oder auch andere Richtlinien sowie Standards aus fachdidaktischer Sicht weiterentwickelt werden? Die Beurteilung von Fortschritten in einer Fremdsprache und die Vergleichbarkeit der verschiedenen europ?ischen Sprachzertifikate sind von gro?em Nutzen, aber ist dies wirklich noch der heutigen Zeit entsprechend? Wie k?nnen die Chancen, aber auch die Herausforderungen, die mit der gesellschaftlichen Mehrsprachigkeit und -kulturalit?t in Europa verbunden sind, st?rker in den Fokus genommen werden? Welche Rolle spielen überhaupt heute Europa und seine gesellschaftliche(n) Realit?t(en) im Schulsystem, in den einzelnen F?chern und für den romanischen Fremdsprachenunterricht?

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In der Sektion sollen ausgehend von den Belangen des Fremdsprachenunterrichts (Franz?sisch, Italienisch, Spanisch) sowohl aus der au?erschulischen Perspektive als auch aus der binnenperspektivischen Unterrichtsbetrachtung folgende Leitfragen diskutiert werden: Aus der Au?enperspektive: Was beeinflusst sprachenpolitisch und institutionell von europ?ischer Seite den Fremdsprachenunterricht und speziell den romanischen Fremdsprachenunterricht (GeR, Erasmus+ etc.)? Aus der Binnenperspektive: Wie werden welche soziokulturellen, historischen und literar- ?sthetischen Inhalte von und über Europa im Fremdsprachenunterricht Franz?sisch (FLE), Italienisch (ILS) und Spanisch (ELE) vermittelt? Welche Rolle spielen Bewertungssysteme bzw. Richtlinien zur Evaluierung von Fremdsprachenkenntnissen, wenn in einem kompetenzorientierten Fremdsprachenunterricht Toleranz, Offenheit und Akzeptanz wesentliche Grundwerte darstellen sollen? Folgende konkrete Forschungsfragen sollen daher in der Sektion diskutiert werden:

  • Inwiefern ist eine Internationalisierung des romanischen Fremdsprachen- unterrichts m?glich und auch notwendig?
  • Welche politischen Funktionen werden mit dem (romanischen) Fremd- sprachenunterricht verbunden?
  • Wie wirkt sich die Globalisierung auf den Fremdsprachenunterricht aus?
  • Welche Rolle nimmt die Idee eines polyglotten und transkulturellen Europas im Fremdsprachenunterricht ein? Inwiefern wird die Mehrsprachigkeit beim Erwerb von Franz?sisch, Spanisch und Italienisch genutzt?
  • Wie k?nnen die einschl?gigen curricularen Vorgaben und der GeR erg?nzt werden, um den Herausforderungen eines plurilingualen und -kulturellen Europas gerechter zu werden?
  • Welche Bedeutung haben Kultur, Literatur und ?sthetische Bildung hinsichtlich des Themas ?Europa“ im Fremdsprachenunterricht?
  • Wie und wo ist die Idee von Europa im Fremdsprachenunterricht Franz?sisch, Spanisch und Italienisch vorzufinden? Welche f?cherübergreifenden und projektorientierten Ans?tze werden verfolgt?
  • Wie k?nnen technische Entwicklungen und Digitalisierung die Gestaltung eines europ?ischen Fremdsprachenunterrichts und das l?nderübergreifende Fremdsprachenlernen unterstützen?

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Auswahlbibliographie

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Christ, Ingeborg (2005): Die Bedeutung des Gemeinsamen europ?ischen Referenzrahmens für das Fremdsprachenlernen. In: Franz?sisch heute, 36, 292- 304.

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Europ?ische Kommission / Eurydice (2001): Der Fremdsprachenunterricht an den Schulen in Europa. Bruxelles.

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Europarat (2001): Gemeinsamer europ?ischer Referenzrahmen für Sprachen: lernen, lehren, beurteilen. Berlin: Langenscheidt.

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Heyder, Karoline/Sch?dlich, Birgit (2014): ?Mehrsprachigkeit und Mehrkulturalit?t – eine Umfrage unter Fremdsprachenlehrkr?ften in Niedersachsen“, in: Zeitschrift für interkulturellen Fremdsprachenunterricht, Jahrgang 19, 1, 183-201.

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Kontakt: kheyder@uni-bremen.de, claudia.schlaak@uni-kassel.de, victoria.del.valle@uni-paderborn.de

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